「カッセルのユダヤ人雌豚」 "Die Judensau von Kassel"
documenta 15 in Kassel.
Es sollte allgemein bekannt sein, dass Deutschland mit dem Thema des Anti-Semitismus höchst sensibilisiert umgeht. Die Existenz Israels wird in Deutschland nicht in Frage gestellt.
Im Gegensatz zu manchen anderen Ländern auf der Welt, wie Indonesien!
Bitte nehmen Sie auch wahr, dass Frau Claudia Roth (German Federal Government Commissioner for Culture and the Media) von den Grünen seit 30 Jahren eine äusserst liberale Politik propagiert.
Im Kontext der documenta 15, Zitat:
“Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Hier finde Kunstfreiheit ihre Grenze. „Die Menschenwürde, der Schutz gegen Antisemitismus, wie auch gegen Rassismus und jede Form der Menschenfeindlichkeit sind die Grundlagen unseren Zusammenlebens“, sagte Roth.”
Antisemitismus bei der documenta 15: Ausstellungsleitung verhüllt betreffendes Werk
https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1048701.html
新しいドイツの文化大臣 クラウディア・ロート(緑の党)のステートメント
Statement by Claudia Roth (GREEN PARTY), German Federal Government Commissioner for Culture and the Media
https://art-culture.world/articles/claudia-roth/
Ihr Kollege und Vizekanzler Robert Habeck (auch “Die Grünen”) besuchte in offizieller Mission noch vor zwei Wochen Ramallah in den Palästinensischen Gebieten.
今日はドイツの緑の党、ロベルト・ハーベック副首相がパレスチナを訪問
German Green Party Vice Chancellor Robert Habeck visited Palestine today
https://art-culture.world/articles/green-party-robert-habeck/
Wenn die seriöse Frankfurter Allgemeine Zeitung auf ihrer Titelseite das gegenwärtige Problem der documenta 15 explizit an oberste Stelle positioniert, dann scheint eine Grenzlinie im “artistic practice” der zeitgenössischen Kunst überschritten worden zu sein.
Ich möchte nur hinzufügen, dass ich in meinem Künstlerleben mehrmals zensiert worden bin, auch in Japan. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: in diesem speziellen Kontext bezüglich documenta 15 stehe ich auf der Seite der Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Die Grünen).
Ich stelle nun etliche Nachrichtenartikel zu diesem Thema hier rein, damit für Japaner die erste Quelle in deutscher Sprache zu lesen ist.
読みたい方へ、deeplで翻訳してくださいませ。
https://www.deepl.com/translator
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.6.2022
SKANDAL UM DIE DOCUMENTA
Die Judensau von Kassel
EIN KOMMENTAR VON JÜRGEN KAUBE -AKTUALISIERT AM 21.06.2022-18:38
Es darf jetzt von einer Documenta der Verschlagenheit gesprochen werden: Die Schau und ihre Macher offenbaren ihren Antisemitismus und sind rechthaberisch bis zum Schluss.
Wird etwas „unverkäuflich“ genannt, kann das zweierlei bedeuten. Unverkäuflich sind Objekte, die ihre Eigentümer zu keinem Preis hergeben wollen. Unverkäuflich sind aber auch solche Objekte, für die niemand etwas bezahlen will. Wenn die Organisatoren der diesjährigen in Kassel, das indonesische Künstlerkollektiv Ruangrupa, also viel Wert auf die Unverkäuflichkeit der Kunst legen, die sie zeigen, ist das also zweideutig. Die Geste gegen den Kunstmarkt, wahre Kunst solle nicht käuflich sein, könnte auch ein Daumendrücken für Dinge darstellen, die niemand haben will, sofern sie nicht verschenkt werden.
Nicht einmal geschenkt bekommen will man sicherlich antisemitische Schmierereien. Wochenlang war über das Verhältnis von Ruangrupa zur Boykottbewegung gegen Israel diskutiert worden. Ständig hieß es dabei, es gebe keine einzige antisemitische Äußerung der Gruppe. Gewiss sei die Boykottbewegung BDS, der manche eingeladenen Künstler anhängen, „in Teilen antisemitisch“, wurden wir von einer Schriftstellerin belehrt, aber das sei die britische Labour Party ja auch.
Na dann. Alles nicht so wichtig, alles nicht so schlimm, meinte die Schriftstellerin, die gerne auch darüber befinden wollte, wer überhaupt zum Thema schreiben darf, nämlich nur Leute, die eine von ihr geführte Bildungsreise in den von Israel besetzten Gebieten hinter sich hätten. Ruangrupa seinerseits erweckte den Eindruck, eine von der Gruppe zur Klärung anberaumte Diskussionsreihe über Rassismus und Antisemitismus sei unter äußerem, zensurförmigem Druck abgesagt worden. Dabei war es die Leitung der Documenta selbst, die den Rückzieher gemacht hatte.
Juden als Inkarnationen des Bösen
Und jetzt sind in Kassel Bildwerke zu sehen, die offen antisemitisch sind. Mehrere Bilder eines palästinensischen Künstlers vergleichen Israels Politik im Gazastreifen mit den nationalsozialistischen Fliegerangriffen auf das baskische Guernica, die 1937 als erste Attacke der jüngeren Militärgeschichte das Ziel hatten, die gesamte Zivilbevölkerung einer Stadt auszulöschen. Ein Bild des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wiederum zeigt Juden als Inkarnationen des Bösen, als wölfische Geschäftsbonzen mit Schläfenlocken und einem Hut, auf dem „SS“ steht. Und als behelmte Schweine in Hemden mit dem Davidstern, die dem israelischen Geheimdienst angehören. Man muss nicht auf mittelalterliche Bildplastik spezialisiert sein, um darin das zu Pogromen anstiftende Motiv der „Judensau“ zu erkennen.
Dieses Bild wurde erst nach den Tagen der Vorbesichtigung durch die Weltpresse aufgehängt, mitten im Zentrum von Stadt und Ausstellung. Wollen die Documenta-Macher uns jetzt weismachen, es sei nicht rechtzeitig fertig geworden, sie hätten es selbst vorher nicht gesehen? Allein in Indonesien war es zuvor schon zweimal ausgestellt worden. Was wollte Ruangrupa der Welt sagen, als sie gerade dieses Machwerk ihrer Landsleute auf dem Paradeplatz der Schau anbrachten?
Das Bild, erklären sie jetzt, biete „antisemitische Lesarten“ . Soll wohl heißen: Man kann es, muss es aber nicht so lesen. Wie denn dann? Die Künstler wiederum können in ihrem Werk beim besten Willen kein antisemitisches Motiv erkennen. Sie seien traurig darüber, teilen sie mit, dass es so verstanden werde. Das nunmehr verdeckte Werk werde „zum Denkmal der Trauer über die Unmöglichkeit des Dialogs“. Ruangrupa und die Generaldirektorin der Documenta, Sabine Schormann, haben also allen Ernstes vorgehabt, das Banner nicht abzuhängen, sondern nur zu verhüllen. Rechthaberei bis zum Schluss.
Die Verlogenheit – das Schwein mit dem Mossad-Helm symbolisiere das indonesische Militär, der Mann mit Schläfenlocken und SS-Hut den Kapitalismus – konkurriert in solchen Äußerungen mit Selbstgerechtigkeit und Larmoyanz. Hat man sich denn einen Dialog über die These vorgestellt, für das Unglück Indonesiens seien Juden und der israelische Auslandsgeheimdienst verantwortlich? Ist man traurig darüber, dass in Deutschland über Judenhass nicht diskutiert werden kann? Die ewige Behauptung, antisemitisch sei so etwas nur hierzulande, versucht die eigene Niedertracht oder Indifferenz kulturell zu relativieren.
Ruangrupa hat unter Aufbietung alles denkbaren Polit-Kitsches die indonesische Reisscheune zum Sinnbild kollektiven Entscheidens erhoben. „Lumbung“: freundliches Teilen von Ernteüberschüssen. Das Selbstlob schloss die Behauptung ein, die Gruppe ermögliche durch ihre kuratorische Arbeit eine alternative Ökonomie der Nachhaltigkeit. Man habe sich dazu, hieß es, intensiv mit dem Kasseler Ökosystem beschäftigt. Mit den gezeigten Bildern offenbar nicht so sehr. Oder eben doch – dann aber darf jetzt von einer Documenta der Verschlagenheit gesprochen werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.6.2022
JUDENFEINDLICHE KUNSTWERKE
Die Documenta-Leitung muss jetzt zurücktreten
VON NIKLAS MAAK -AKTUALISIERT AM 21.06.2022-18:38
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/antisemitische-kunst-warum-die-documenta-leitung-zuruecktreten-muss-18117923.html
Der Tagesspiegel, 21.6.2022
Umstrittenes Documenta-Werk wird abgebaut
Die Kritik an der Documenta-Leitung nimmt zu. Die verdeckte die umstrittene Installation. Jetzt soll sie auf die Schnelle verschwinden.
https://www.tagesspiegel.de/kultur/debatte-um-antisemitismus-auf-kunstausstellung-umstrittenes-documenta-werk-wird-abgebaut/28439156.html
Hessenschau, 21.6.2022
Antisemitismus auf der documenta: Wie konnte das nur passieren?
Veröffentlicht am 21.06.22 um 14:08 Uhr
Die documenta hat einen handfesten Antisemitismus-Skandal. Nach Monaten der Debatten-Abwehr und Beteuerungen, dass es nirgends Antisemitismus gebe, stehen Ruangrupa und die documenta vor einem Scherbenhaufen. Das hätte vermieden werden können.
Von Sonja Süß
https://www.hessenschau.de/kultur/antisemitismus-auf-der-documenta-wie-konnte-das-nur-passieren,documenta-antisemitismus-kommentar-100.html
artnet, 2022/6/21
Politics
‘All the Red Lines Have Been Crossed’: Just Days After Opening, Documenta Conceals an Artwork Depicting Antisemitic Stereotypes
Organizers of Documenta 15 have decided to drape a large curtain over the artwork by Indonesian collective Taring Padi.
Dorian Batycka, June 21, 2022
https://news.artnet.com/art-world/documenta-conceal-artwork-antisemitism-2133662
artnews, 2022/6/21
Documenta Leader Speaks Out on Controversial Banner: ‘Anti-Semitic Depictions Must Have No Place in Germany’
Alex Greenberger, June 21, 2022 4:15pm
quotes:
The piece was a meditation on the Suharto dictatorship in Indonesia that included a Mossad agent with a pig’s head and a male figure that was widely viewed as an anti-Semitic caricature of a Jew.
—
On Monday, the show swiftly responded by concealing People’s Justice, a move that Documenta said was done in collaboration with Taring Padi itself, and adding a text that was intended to elucidate the Indonesian context for the work. Taring Padi also apologized for creating People’s Justice and made a plea for a “new dialogue.”
—
(Documenta’s leader director, Sabine Schormann:)
“Anti-Semitic depictions must have no place in Germany, not even in an art show with a global scope,” she said. “This also applies expressly with all understanding for the concerns of the global south and the visual language used there. With respect for the diversity of cultural backgrounds, the dialogue that began with documenta fifteen will be continued.”
full text @
https://www.artnews.com/art-news/news/documenta-taring-padi-sabine-schormann-statement-1234632472/
documenta website 2022/6/20
20.6.2022
ON THE CONCEALMENT OF A WORK BY TARING PADI AT DOCUMENTA FIFTEEN
https://documenta-fifteen.de/en/news/on-the-concealment-of-a-work-by-taring-padi-at-documenta-fifteen/
Welt TV 2022/6/21
MICHEL FRIEDMAN ZUR DOCUMENTA
„Ich fordere eindeutig, dass mindestens die Geschäftsführerin Schormann entlassen wird“
Stand: 07:27 Uhr, Dauer 6 Min
Eine heftig kritisierte Installation auf der Documenta in Kassel wird abgebaut. Nun werden die Rufe nach einer Aufarbeitung des Eklats immer lauter. Michel Friedman spricht Klartext: Er fordert die Entlassung von Generaldirektorin Sabine Schormann.
https://www.welt.de/kultur/video239498123/Antisemitismus-bei-Documenta-Michel-Friedman-fordert-Entlassung-von-Geschaeftsfuehrerin-Schormann.html
Before the Opening and display of the “People’s Justice” work, the left-wing “Die Tageszeitung” published following articles about the documenta 15.
3rd and 16th of June 2022.
Eröffnung der documenta15 in Kassel
Die Grenzen des Aktivismus
Die documenta mobilisiert ländliche Traditionen gegen modernere Kunstpraktiken. Das ist nicht immer gut für die Kunst. Und auch nicht für die Politik.
TAZ 18.6.2022
Über die Freiheit der Kunst wurde im Vorfeld dieser 15. documenta viel debattiert. Darüber wie unmittelbar politisch die Kunst sprechen soll. Und wie es um ästhetische Positionen für eine Beurteilung steht. In den Diskussionen ließ sich das „neue“ Kunstverständnis nie so recht greifen.
Die vielköpfige Kuratorengruppe Ruangrupa lud nun über 50 andere Kollektive aus der Welt nach Kassel ein. Begriffe wie „lumbung“ und „ruru“, entnommen aus dem dörflichen Ethos indonesischer Reisbauern, sollen einen kuratorischen Gegenentwurf zu dem liefern, was man sonst von der documenta kannte.
Über 1.500 Personen sind nun an der documenta 15 beteiligt. Künstlerinnen aus Trinidad und Haiti, aus Mali und dem Niger, Indien, Indonesien oder Vietnam sind dabei. Im Vorfeld wurden so viele Verantwortlichkeiten und Gelder aufgeteilt, dass sich eine Idee davon, welche Kunst denn nun entstehen würde, immer mehr zerfaserte. Ein Wagnis für eine der größten Kunstschauen weltweit, die alle fünf Jahre über 500.000 Besucher:innen in das eher recht beschauliche Kassel pilgern lässt.
Gemeinschaftlicher Prozess
Jetzt hat die documenta endlich eröffnet. Und behauptet Kunst als einen rein gemeinschaftlichen Prozess. Man verzichtet auf die einprägenden Inszenierungen einzelner Künstlerpersönlichkeiten und große Kuratorenstreiche. Das meiste hier ist tatsächlich noch im Entstehen.
Doch läuft man nun durch die großen Ausstellungshallen, das Fridericianium, die Documentahalle oder jenseits der Fulda, in das ziemlich abgelegene Bettenhausen zu der ehemaligen Fertigungshalle der Firma Hübner, wo es noch immer nach Schmieröl und Metallspähnen riecht, so meint man, vor allem eine große Werkstatttour zu bestreiten. Man betritt Räume, in deren Regalen noch die Tonobjekte trocknen, und trifft auf den diskreten Charme von Wandgrafiken, auf denen Workshopergebnisse skizziert sind.
In der Hübner-Halle hängt ein riesiger Webteppich aus Karton, Zeitung, Baumwolle und Acryl schneckenförmig von der Decke. Das schwebende Vestibül des ADN-Collectives aus Mali soll einen Versammlungsort von Dorfgemeinschaften abbilden. Eine filigran anmutende Architektur. Der Gruppe El Warcha aus Tunis kann man im Fridericianium dabei zusehen, wie sie aus vorgefertigten Möbelteilen funktionslose Objekte zimmert.
In der Documenta-Halle riecht es nach Druckerfarbe. Ein geschäftiges Mitglied von Fehrar Publishing Practices druckt an großen Maschinen Plakate und Zines aus. Prozess ist hier die Aktion der anderen. Man schaut auf die Bühnen – und geht dann weiter dran vorbei. Diese Kunstbehauptung bräuchte wohl auch einen anderen Ausstellungsbegriff. Warum nicht eine Documenta als ein großes Kunstcamp, wo man sich mit diesen vielen Menschen, die vor ihren stillen Installationen stehen, wirklich austauscht?
Asia Art Archive
Vom Asia Art Archive aus Hongkong würde man sehr gerne mehr über den Prozess der Recherche erfahren. Die freie Initiative sammelt Video- und Performancekunst. Auf kleinen Bildschirmen flimmern nun rare Aufnahmen von Ray Langenbach, der von 1980 bis 2000 eine subkulturelle Szene der Performancekunst in Südostasien mit der Kamera dokumentierte.
Die damalige Repression in Suhartos Indonesien oder des Militärs in Thailand, sie bildet sich in drastischen Aktionen heute weitgehend unbekannter Künstler:innen ab. Kopfüber ließ sich einer in die Erde einbuddeln, um mit seinen noch freien Beinen in der Luft Fahrrad zu fahren. Ein anderer beißt rohe Eier auf.
Humor und Schmerz liegen nah beieinander. Wie macht das Asia Art Archive so etwas ausfindig? Unter welchen Bedingungen sammeln sie diese im von Peking beobachteten Hongkong? Fragen, die man gerne diskutieren würde, stattdessen gibt es Vitrinen und kleine Bildschirme.
Kassel grüßt die Taliban
Viele der geladenen Gruppen bleiben also letztlich im klassischen Format einer Ausstellung. Auch die Galerie Eltiqa aus dem von der Hamas kontrollierten Gaza. Neben folkloristischen Malereien verweist sie in Infotexten auf Finanzprobleme und nicht bezahlbare Mieten. Freie Kunst, klar, braucht zu allererst einen Ort. Doch wie frei ist die Kunst von Eltiqa?
Oder ist sie vielmehr das Resultat finanzieller und politischer Abhängigkeiten, wenn jemand wie Mohammed Al Hawajri so instrumentalisierbare Bilder macht, wie seine hier ausgestellten Fotocollagen? In die Reproduktionen einer Bauernidylle des Barbizon-Malers Jean-François Millet platziert er die Fotos hoch ausgerüsteter junger Soldaten.
Trifft auf dieser Arbeit mit dem Titel „Guernica Gaza“ etwa das israelische Militär auf die unschuldig schlummernden Kleinbauern in Gaza wie 1937 die Nazi-deutsche Legion Condor auf die baskische Kleinstadt Guernica? Hier werden giftige Parallelen aufgemacht, die kaum mit der Phrase von der „Freiheit der Kunst“ zu legitimieren sind. Im Treppenaufgang leuchtet es islamistisch: „Kabul – Graveyard of Empires“, Freude über das Scheitern der Demokratie in Afghanistan.
Seltsam, wie hier vieles postkolonial zusammengemixt wird. Nur ein paar Meter weiter hat sich Party Office B2B Fadescha aus Neu-Delhi in den Kellergewölben des Hauses an der Werner-Hilpert-Straße seinen Darkroom installiert. Zwischen dunkelroten Plastikvorhängen und SM-Inventar wird eine Subkultur aus Indien sichtbar, deren Sexpraktiken Klasse, Geschlecht und familiäre Rollen auflösen will. Man taucht kurz ein auf dieser documenta, in die Behauptungen der verschiedenen Kollektive, doch bleibt vieles bruchstückhaft und unvermittelt.
Korea, Kolumbien und VW
Letztlich sind es wohl die wenigen klassisch ausgearbeiteten Kunstinstallationen, die tatsächlich etwas erzählen können. Auf den ruhigen Landschaftsaufnahmen in dem Video der südkoreanischen Künstlergruppe ikkibawiKrrr hat die Natur einen verheerenden Schauplatz des Zweiten Weltkriegs sich zurückerobert.
Die Bunkeranlagen, Landebahnen und Grabstätten auf den pazifischen Inseln Jeju oder Peleliu sind von Pflanzen überwuchert, tropische Bäume haben ihre Wurzeln um den Beton geschlungen, ein sonorisches Kratzen von Saiteninstrumenten klingt, als käme selbst die Klanguntermalung des Films von den Lianen und Ästen auf den projizierten Bildern. Dieses Ökosystem ist von militärischen und industriellen Hinterlassenschaften des Weltkrieges geprägt, Korea bis heute politisch geteilt.
In einem Glashaus im Auepark hat die kolumbianische Gruppe Mas Arte Mas Accion Baumstämme zu einem containergroßen Stapel angeordnet. Die Sonne prallt auf das Dach, der Duft, des so viele Jahre organisch gewachsenen Materials, füllt den heißen Raum. Schön und betrübend zugleich. Rauschige Tonaufnahmen kommen vom Glasdach: Motorsägen, Gespräche, Vogelgezwitscher – paradiesische und höllische Sounds aus einem Mangrovenwald in Kolumbien, wo Drogenhandel und Armut auf Abholzung treffen.
Entlang des gewundenen Flanierwegs im Auepark hat Mas Arte Mas Accion weitere Baumstämme als kleine Sitze auf dem saftigen Gras verteilt. Man setzt sich, schaut auf die Bäume, die unter dem gleißenden Sonnenlicht der Eröffnungstage schon zu schwächeln scheinen.
Aber werden einem so die Zusammenhänge klar, die diese documenta darstellen will? Oder sind es eher die Grenzen des Aktivismus in der Kunst. Eine Band von VW-Betriebsangehörigen spielte unter dem Logo des Autoriesen bei der Eröffnung. Ukrainefahnen waren hingegen nicht zu sehen.
https://taz.de/Eroeffnung-der-documenta15-in-Kassel/!5859290/
Politisierung auf der documenta 15
Kunst im Anflug auf Kassel
Der postkoloniale hat den proletarischen Internationalismus in der Debatte abgelöst. Doch wie reagiert die Kunst darauf?
TAZ 3. 6. 2022
Es ist Krieg in der Ukraine und wir streiten uns über Kunst. Und dies auch völlig zu Recht. Denn über den Bereich der Kunst werden in bürgerlichen Gesellschaften von jeher Deutungshoheiten und ideelle Hegemonien verhandelt. Im Frieden wie auch im Krieg. Im Anschluss an die höfischen und religiösen Systeme hatte dies insbesondere der Staat gewordene Kommunismus verstanden und sich zunutze gemacht.
Der Stalinismus unterwarf das Streben nach einer autonomen künstlerischen Sphäre (auf den von ihm kontrollierten Territorien) seinem totalitären Machtanspruch und intervenierte zugleich propagandistisch geschickt in die bürgerlichen Gesellschaften des Westens. Er beanspruchte dort seinerseits ein Recht auf Kunst- und Meinungsfreiheit, predigte den „proletarischen Internationalismus“, um so mit der pervertierten Freiheitsidee Kräfte für sein riesiges Moskauer Kolonialreich zu sammeln.
Den im Namen eines proletarischen Kollektivs rigide und universell vorgetragenen Führungsanspruch der kommunistischen Parteien widersetzten sich weltweit ab den 1920er Jahren viele Kunstschaffende.
Sie wollten sich diesen und anderen Zumutungen aus der Politik nicht beugen, sie wurden ja nicht nur vonseiten des autoritären Kommunismus bedrängt. Nützlichkeitserwägungen, politische Auftragswerke, aber auch kultisch wirkende Markt- und Genie-Inszenierungen wies der emanzipatorische Teil der (linken) Kunstszenen von sich.
Wahre Kollektivität
Die historischen Avantgarden (Dadaismus, Surrealismus, Situationismus etc.) setzten (wie auch später Hippies, Punks oder Poplinke) dabei häufig auf Zertrümmerung zu einfach lesender, „affirmativer“ Kunstsprachen. Sie förderten einen voluntaristischen Subjektivismus, radikale Individualität als Grundlage wahrer Kollektivität und hedonistischer Lebensweisen.
Ihre Ausdrucksformen waren von Negation, Abstraktion und Erweiterung geprägt, dem Wechselspiel eindeutiger mit mehrdeutiger Symbolik, die sich nicht eins zu eins für autoritäre politische Propaganda gebrauchen ließen – und zumindest temporär auch nicht für die kapitalistischen Warenkreisläufe.
Diese Kunstszenen konnten, so es sein musste, auch im politischen Sinne radikal und parteiisch auftreten, auch parolenhaft (etwa bei der Abwehr der Konterrevolution in der Weimarer Republik, den Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Anarchisten während des Spanischen Bürgerkriegs oder auch bei Revolten wie dem Pariser Mai 1968).
Künstler oder Untertan?
Doch bestand die Kunst auch immer darin, sich in der Kunst nicht dauerhaft und einzig auf eine erwartbare grammatikalisch formelhafte Äußerung oder gar Herkunft festlegen zu lassen. „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.“ So ein Slogan aus dadaistischer Zeit.
Neben dem „proletarischen Internationalismus“ war die andere große Propagandalüge des Staat gewordenen Kommunismus die von der großen Liebe unter den sozialistischen „Brudervölkern“. Freundlich und familiär sollte eine weltumspannende Imperiumsidee klingen, bei der man jedoch die expansive Tradition des Zarismus fortsetzte und die indigenen Völker erdrückte.
Das russische und später sowjetische Kolonialregime reichte im Fernen Osten bis nach Japan und China, im Westen bis über Polen hinweg, im Süden ans Schwarze oder Kaspische Meer. Nation um Nation wurde kolonisiert – oder wie in der Ukraine derzeit massakriert.
Postkoloniale Behauptungen
Für die Kunst seien „nur die anti- und dekolonialen Inhalte heute neu und relevant“, formulierte Diedrich Diederichsen kürzlich en passant in einer Buchkritik für die Süddeutsche Zeitung. Diederichsen, heute Kunstprofessor in Wien, früher Pionier der deutschen Popkritik, klingt in solch apodiktischen Sätzen ein wenig nach dem Politkommissar alter Schule. Zumal er beim künstlerischen Dekolonisieren ausschließlich den Blick gegen den alten und heute demokratischen Westen richtet.
Ganz so, als wären die außer(west)europäischen Nationen ihrerseits nicht zu imperialer Herrschaft, Kolonisierung und Völkermord fähig – und fähig gewesen. Und ganz so, als hätte sich die kritische Kunstproduktion erneut einem einzigen behaupteten Kollektivgedanken zu fügen, hinter dem andere Positionen und Widersprüche als nebensächlich verschwänden.
Der Übergang vom proletarischen zum postkolonialen Internationalismus scheint 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion für Teile des Kunstbetriebs sehr attraktiv zu sein. Man gibt sich dabei zunehmend unhinterfragbar. Im Vorfeld der documenta15 kam die Diskussion auf, ob der documenta-Beirat und das von ihm ausgewählte indonesische Kuratorenteam Ruangrupa BDS-nah seien, damit auch antisemitische Positionen auf der Kunstschau zu erwarten sind.
Die BDS-Kampagne versucht seit Jahren Israel durch kulturelle Boykotte zu delegitimieren, sie wurde in einer Resolution des Deutschen Bundestags als antisemitisch eingestuft.
Antiisraelische Mobilisierung
Die documenta und mit ihr verbundene Journalisten wiesen die Kritik sogleich als „islamophob“ zurück. Hinweise, das zur documenta15 eingeladene palästinensische Kollektiv „The Question of Funding“ um Lara Khaldi und Yazan Khalili, frühere Funktionäre des Khalil Sakakini Cultural Center in Ramallah, agiere antiisraelisch, tat man als rassistisch ab.
Von Khalili finden sich Arbeiten im Netz wie „Apartheid Monochromes“. Sechs monochrome Farbtafeln, ganz nach Yves Klein, aber, wie tricky, im Subtext farblich der israelischen Repression zugeordnet, begrifflich dem früheren südafrikanischen Rassistenstaat. Nach der Kritik wurde die Repräsentanz für die documenta15 nun etwas verändert. Ein Künstlerkollektiv namens Eltiqa aus dem von der faschistischen Hamas kontrollierten Gazastreifen soll es nun richten.
Die Israel-Denunziation ist ein Fixpunkt vieler sich postkolonial begreifender Kunstfunktionäre und -szenen. Dabei ist Israel die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten, mit Bürgerrechten für Minderheiten, von denen die Bevölkerungen arabischer oder islamischer Staaten nur träumen können.
Israel zieht notorisch die Feindschaft von undemokratischen Regimen auf sich, die auch den völkischen palästinensischen Extremismus finanzieren und munitionieren. An die verlorenen arabischen Angriffskriege, in denen man sich selber als unschuldiges Opfer sieht, erinnern Kultureinrichtungen, die nach rechten panarabischen Ideologen wie Sakakini benannt sind.
Völkischer Opportunismus
Im Kontext Palästinas kann eine kritische Kunst aber nur eine sein, die sich dem völkisch-religiösen Paradigma des Befreiungsnationalismus widersetzt. Und nicht eine, die bildnerisch den äußeren Feind anklagt und von den eigenen Defiziten ablenkt.
Die politische Haltung sollte sich keineswegs immer eins zu eins in der Kunst abbilden. Siehe Sozialistischer Realismus. Genauso wenig lassen sich Debatten über das System Kunst unisono international vereinheitlichen.
In Teilen Indonesiens, des Herkunftslands des documenta-Kuratorenteams, herrscht beispielsweise die Scharia, aufgeklärte städtische Lebensweisen stehen unter Druck. Einen Wohlfahrtsstaat oder entwickelten Kunstmarkt gibt es nicht.
Auch keine kollektive Erinnerungskultur, die an den Völkermord an der chinesischstämmigen Minderheit erinnern würde. Das postkoloniale Suharto-Regime ließ 1965/66 Hunderttausende (Schätzungen sprechen von bis zu drei Millionen Menschen) systematisch ermorden.
Solidarität mit der Ukraine?
Minderheiten- und Bürgerrechtskämpfe in demokratischen Gesellschaften wie den USA, Israel oder der Bundesrepublik sehen anders aus als jene in Gaza, Iran, Syrien, Namibia oder Indonesien. Wer in der Kunst aber nur nach Motiven der postkolonialen Kritik sucht, dürfte an dieser erblinden.
Und auch keinen Blick dafür haben, was gerade in der Welt und in der Ukraine passiert. Auffällig viele postkoloniale Staaten enthielten sich wie China bei der Abstimmung der UN-Resolution zur Verurteilung des russischen Angriffskrieges.
Wer auf der documenta15 durch die Kunst unmittelbar politisch spricht, wird sich an der politischen Weltlage messen lassen müssen.
https://taz.de/Politisierung-auf-der-documenta-15/!5856408/
Sicherlich kommt die Frage auf, wer ruangrupa, ein Kollektiv aus Jakarta, für die künstlerische Leitung der documenta 15 ausgewählt hat. Folgend die Namen in der Findungskomission. Die Entscheidung fiel einstimmig aus.
Selection Committee for documenta 15
On 13 July 2018, the Selection Committee was announced, whose task was to appoint the artistic directorship for the 15th edition of documenta in 2022. The commission’s members were proposed by the General Director of documenta, Dr. Sabine Schormann, and confirmed by the documenta Supervisory Board and Museum Fridericianum gGmbH.
The Selection Committee for the artistic direction of documenta 15 is made up of the following members:
Ute Meta Bauer
Internationale Kuratorin, Gründungsdirektorin des NTU Centre for Contemporary Art (CCA), Singapur
Charles Esche
Direktor des Van Abbemuseum, Eindhoven
Amar Kanwar
indischer Dokumentarfilmer und Künstler, Neu-Delhi
Frances Morris
Direktorin des Tate Modern, London
Gabi Ngcobo
Kuratorin der 10. Berlin Biennale 2018
Elvira Dyangani Ose
Kuratorin Creative Time, New York
Philippe Pirotte
Rektor an der staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule, Frankfurt
Jochen Volz
Direktor der Pinacoteca do Estado, Sao Paulo
https://universes.art/en/documenta/2022/selection-committee-documenta-15
Der Grund für die Wahl von ruangrupa:
Die Kommission begründete ihre einstimmige Wahl wie folgt: „Wir ernennen ruangrupa, weil sie nachweislich in der Lage sind, vielfältige Zielgruppen – auch solche, die über ein reines Kunstpublikum hinausgehen – anzusprechen und lokales Engagement und Beteiligung herauszufordern. Ihr kuratorischer Ansatz fußt auf ein internationales Netzwerk von lokalen Community-basierten Kunstorganisationen. Wir sind gespannt, wie ruangrupa ein konkretes Projekt für und aus Kassel heraus entwickeln wird. In einer Zeit, in der innovative Kraft insbesondere von unabhängigen, gemeinschaftlich agierenden Organisationen ausgeht, erscheint es folgerichtig, diesem kollektiven Ansatz mit der documenta eine Plattform zu bieten.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Documenta_fifteen
ruangrupa
https://ruangrupa.id/en/
https://en.wikipedia.org/wiki/Ruangrupa
up-dates:
Die documenta 15 und ihr mangelnder Diskurs zum Antisemitismus
BEATE REIFENSCHEID
Eine Stellungnahme von Beate Reifenscheid, Präsidentin ICOM Deutschland
„Die Kunst ist eine Schwester der Freiheit“, schrieb bereits Friedrich Schiller 1795 in seinen Briefen „Über die aesthetische Erziehung des Menschen“.1 Er war gänzlich eingenommen von den Vorboten der Französischen Revolution. Die Grenzen der Freiheit waren bereits in der französischen „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte” vom 26. August 1789 im Artikel 4 mit dem berühmten Satz „Die Freiheit besteht darin, dass man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet” zusammengefasst.
Künstler*innen in vielen demokratischen Staaten berufen sich auf eben diese Freiheit des Geistes in ihrem Schaffen und in ihrem künstlerischen Ausdruck. Diese Freiheit muss unantastbar bleiben, wenn wir weiterhin darauf vertrauen wollen, dass wir durch die Künste eine andere Sicht auf die Dinge, unser Leben und unsere Gesellschaft gewinnen wollen. Wenn wir die Welt in ihrer Komplexität und mit ihren Problemen besser fassen wollen. Was es bedeutet, wenn Kunst eingeschränkt und durch Politik oder Religion instrumentalisiert wird, erleben wir aktuell weltweit. Diese Instrumentalisierung erinnert uns aber auch an das, was die Propaganda und das Kulturdogma einer verstörenden Rassenideologie während der NS-Diktatur angerichtet haben. Rechtsextremismus gewinnt trotz dieser historischen Verbrechen seit Jahren wieder an Zulauf und wird erneut auch über die Kultur ausgetragen. Aktuell erfährt dies die Weltgemeinschaft hautnah, indem sie erleben muss, was die russischen Invasoren in der Ukraine anrichten und wie sehr sie es darauf anlegen, die ukrainische Kultur auszulöschen. Putin und seine militanten Mitstreiter berufen sich in ihrem Handeln auf die Nationalsozialisten, von denen sie die Ukraine angeblich befreien müssten, und begehen ebensolche Verbrechen.
Das Kuratoren-Kollektiv Ruangrupa hat es zugelassen, dass auf der documenta 15 das Künstler-Kollektiv Taring Padi ein Kunstwerk ausgestellt hat, das Elemente enthält, die – jenseits jeder Kontextualisierung – als antisemitisch angesehen werden müssen. Die Schwere und das Verstörende dieses Kunstwerks liegen in dem offensichtlichen Widerspruch, den die Künstler selbst liefern, als sie am Montag öffentlich verlautbarten, dass die Arbeit “keine Inhalte, die darauf abzielen, irgendwelche Bevölkerungsgruppen auf negative Weise darzustellen” enthalte.2 Das Kunstwerk selbst zeigt es anders, denn es setzt Juden und Nazi-Schergen in eins. Das weiß man auch im globalen Süden, der sicherlich andere Narrative ausbildet. Gerade deshalb wären Diskussionen und Diskurs so dringend erforderlich gewesen.
Wie man es dreht und wendet: Es wird nicht schlüssig, das gesellschaftliche und politische Bekenntnis, das sowohl das Kuratoren- als auch das Künstler-Kollektiv hier liefern. Es reicht nicht aus, sich auf die „Freiheit der Kunst zu berufen“, wie es schützend auch die Verantwortlichen der documenta 15 zunächst bemüht haben. Ein zu Recht hohes Gut unseres westlichen, demokratischen Kunstverständnisses. Das Irritierende jedoch ist in diesem Kontext die vielfach formulierte Bitte um Klärung und um Austausch, dem nicht ernsthaft nachgekommen wurde. Kritische Anmerkungen und Mutmaßungen, dass Ruangrupa Künstler*innen involviert habe, die dem BDS naheständen, gab es seit Veröffentlichung der Liste der Teilnehmenden, kritische Kommentierungen, dass keine Künstler*innen aus Israel dabei seien, wurden ebenso früh geäußert. Dies alles muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Macher*innen und die Künstler*innen wirklich Israelfeindlich und antisemitisch sind, aber es eröffnete ein berechtigtes öffentliches Interesse an Aufklärung, das nicht mit plausiblen Argumenten entkräftet wurde. Es ist ein ernstgemeintes Interesse an Transparenz, das nicht nur in Deutschland besondere Berechtigung erfährt, sondern weltweit die Frage zum Umgang mit Diskriminierungen aufwirft. Gerade aber in Deutschland und mit Wissen über die Verbrechen der Shoah und den bis heute schwelenden antisemitischen Tendenzen muss von einem Kuratoren-Team, das internationale Erfahrungen im Ausstellungsbetrieb hat, erwartet werden, dass es diesen Resonanzboden der Geschichte kennt. Und tatsächlich begründen sie ihren kuratorischen Ansatz mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg und mit dem auf die ebenso belastete Geschichte der Documenta selbst: „Unser kuratorischer Ansatz zielt auf ein anders geartetes, gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung – ökonomisch, aber auch im Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme und Innovationen. Wenn die documenta 1955 antrat, um Wunden des Krieges zu heilen, warum sollten wir nicht versuchen, mit der documenta 15 das Augenmerk auf heutige Verletzungen zu richten. Insbesondere solche, die ihren Ausgang im Kolonialismus, im Kapitalismus oder in patriarchalen Strukturen haben. Diesen möchten wir partnerschaftliche Modelle gegenüberstellen, die eine andere Sicht auf die Welt ermöglichen.“3
Es stellt sich wie im Brennglas nun jedoch die Frage, wie ernsthaft dieser Anspruch umgesetzt und wie aufrichtig Transparenz und ethisches Handeln eingelöst wurden. Im Augenblick jedenfalls zeigt diese Sicht durchs Brennglas in eine falsche Richtung: mangelnde Transparenz und fehlende Bereitschaft zum ernstgemeinten Dialog, mehr noch, das Zulassen genau jener Diskriminierungen gegen die sich gerade die Kunst, ihre Kuratoren und die documenta richten sollte. Die hohen Erwartungen an ein Kuratoren-Kollektiv versprachen einen anderen, offeneren Diskurs. All dies ist nun aufs Spiel gesetzt worden und stellt zudem all jene Künstler*innen in den Schatten, die wegen dieses Eklats nicht mehr angemessen wahrgenommen werden. Maximaler könnte der Schaden nicht sein: weder in der internationalen Wahrnehmung noch im Hinblick auf das Kuratoren-Kollektiv noch auf die betroffenen Künstler selbst und nicht zuletzt für die Verantwortlichen der documenta.
Warum wurde die Freiheit der Kunst nur so missverstanden? Die Freiheit hört dort auf, wo sie dem anderen schadet. Es gibt keine Freiheit um jeden Preis, schon gar nicht um den der Verantwortung, der Ethik und des Respekts. Antisemitismus und jede andere Form der Diskriminierung müssen entschieden immer abgelehnt werden. Die documenta – als großartiges Konzept eines Weltmuseums auf Zeit – darf diesem keinen Raum bieten. Die Ethik des Kuratierens durch Ruangrupa löst hier die immanenten Widersprüche nicht auf, die sich seit längerem erhärtet haben. Verantwortliches Handeln aller Beteiligten hätte diese so kostbare Freiheit geschützt. So aber erweckt es den Eindruck, als habe man diese nur rhetorisch bemüht, aber sich selbst damit ausgebremst, indem man sehenden Auges diskriminierende, antisemitische Haltungen, Taten und Kunstwerke nicht wahrhaben wollte.
Die internationale Museumswelt (be)müht sich seit Jahren intensiv um einen gesellschaftlichen Diskurs, der transparentes Handeln ebenso erwartet wie das Eintreten gegen Diskriminierung jedweder Art. Sie rückt damit die Kraft der Museen und mit ihnen diese Orte als kultureller Aktionsraum und Gedächtnisspeicher in die Mitte gesellschaftlichen Miteinanders. Die Museen begreifen sich als Zentren kultureller Diskurse und des offenen Dialogs. ICOM‘s „Code of Ethics“, aktuell in Überarbeitung vom Weltverband, liefert hierfür eine entscheidende Basis der Museums- und Kurator*innenarbeit. ICOM Deutschland fordert deshalb die Documenta-Akteur*innen zum klärenden Diskurs auf. Der Blick auf die „heutigen Verletzungen“ wird ausdrücklich begrüßt, sofern er die Freiheit der Kunst nicht zu Lasten des anderen opfert.
Ihre Beate Reifenscheid
Präsidentin ICOM Deutschland
https://icom-deutschland.de/de/nachrichten/528-documenta-xv.html
FAZ 2022/6/26
Doppelte Standards: Die Debatten über die Beauftragte für Antidiskriminierung und der Documenta-Skandal haben mehr miteinander zu tun, als man meinen könnte.
quote:
Antisemitismus ist überall Antisemitismus
Eine andere Sache, die in diesen Tagen ebenso wie die potentielle Antidiskriminierungsbeauftragte die Schlagzeilen füllt, ist die Documenta mit ihrem riesigen Wandgemälde des indonesischen Kollektivs Taring Padi, auf dem ein Schwein mit Davidstern und „Mossad“-Aufschrift und ein Mann mit Kippa, Zigarre und SS-Zeichen auf dem Hut zu sehen sind. Auf den ersten Blick haben diese beiden Themen wenig miteinander zu tun, außer dass Antisemitismus, wenngleich er ein paar Wesensunterschiede zum Rassismus aufweist, auch in den Zuständigkeitsbereich einer Antidiskriminierungsbeauftragten fällt. Doch wenn man genauer hinsieht, lassen sich Berührungspunkte ausmachen in beiden Debatten, die Frage nach doppelten Standards: Wie bewerten wir Rassismus und Antisemitismus, je nachdem, von wem er kommt?
In dem Statement der Gruppe Taring Padi heißt es, die Bildsprache sei kulturspezifisch auf ihre eigenen Erfahrungen bezogen, die Figuren würden nämlich in Indonesien häufig verwendet, „um ein ausbeuterisches kapitalistisches System (…) zu kritisieren“, und die Arbeit werde nur „in diesem speziellen Kontext in Deutschland als beleidigend empfunden“. Dabei verkennen sie, dass Antisemitismus nun mal Antisemitismus ist, ob in Deutschland, Mexiko oder Indonesien, einem Land in dem kaum Juden leben. Und dass es eine lange Tradition der „Kapitalismuskritik“ gibt, die in antisemitischen Bildern daherkommt und deren Bildmotive sich vom mittelalterlichen Wittenberg über Yogyakarta bis ins zeitgenössische Kassel ziehen (Stichwort „Judensau“). Sowohl die Debatte um die Documenta als auch um die Antidiskriminierungsbeauftragte deuten auf blinde Flecken gegenwärtiger antirassistischer und postkolonialer Diskurse hin. Und gerade in ihnen zeigt sich der Widerstreit kulturalistischer und universalistischer Positionen.
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ronya-othmann-ueber-ferda-ataman-und-den-documenta-skandal-18125109.html
ACCUSING RUANGRUPA OF ANTISEMITISM IS A CULTURAL 9/11
Was the belated installation of Taring Padi’s banner an act of terrorism meant to blow up the allegedly inclusive, actually hopelessly paternalistic Western art world — a sort of cultural 9/11?
Jun 27 2022 Ingo Niermann
German media and politicians one-up on how rigorously the installment of a banner with antisemitic depictions at documenta fifteen has to be expiated. Calls for the shutdown of documenta fifteen, if not for ending with documenta at all [1] or continuing it under the premise of state control [2], general accusations of post-colonialism as antisemitic [3] inundated the media this week.
Being German, I was shocked myself when I saw the Indonesian collective Taring Padi’s defamatory use of antisemitic figures that looked like straight copies of Nazi propaganda. Even more, when ruangrupa, the artistic directors of documenta fifteen, released a brief statement announcing they would be removing the artwork because of its “antisemitic readings,” but denied any antisemitic implications in the first place.[4] They implied that only white Europeans/Germans could be offended by the work due to our specific history. In any other context depicting a Jew as a pig (the Nazis used to defame Jews as “Judensau” – Jewish hog) or with red eyes, gigantic saw teeth and an SS sign would not be related to antisemitism. This argument appeared to me as a blatant mockery of cultural relativism. ruangrupa and Taring Padi could not make it more clear that they actually are antisemitic. The conservative German press that, from early on, had agitated against documenta fifteen as being critical of Israel ─ and thereby antisemitic ─ seemed to be proven right.
Why did ruangrupa show Taring Pedi’s twenty-year-old work despite knowing that there was an Israel-friendly public eagerly waiting for any hint of antisemitism in their documenta? Were they just too proud to ignore how this would backfire and harm all invited artists? Or was the belated installation of Taring Padi’s banner an act of terrorism meant to blow up the allegedly inclusive, actually hopelessly paternalistic Western art world — a sort of cultural 9/11?
Honestly, I would have a lot of understanding, if not sympathy for such an act. After having been fed by the Western funding system for so long, the artistic direction of documenta put ruangrupa at a peak of symbolic cultural power, and instead of dutifully delivering a multicultural show that would make Germany feel great about its multicultural capacities (a new, better “Sommermärchen”[5]) they would flip them the finger.
Probably this interpretation is just a romantic projection that helps me to unleash all my hatred and disgust about the German Re-Christianization (not that Germany ever became a proper secular state). Where is a similar uproar about Catholic representatives still being part of numerous ethical committees despite the church’s long-lasting extensive tolerance and cover-up of pedophilic abuse? Where is a similar uproar against equipping Humboldt Forum, a museum that hosts (looted) non-European collections, with a gigantic Christian cross – symbol of crusades and forced conversions?
After in 2014 liberal German newspaper Süddeutsche Zeitung printed a blatantly antisemitic caricature of Mark Zuckerberg as a greedy, long-nosed octopus, the newspaper allowed cartoonist Burkhard Mohr to publish a statement in which he denied any antisemitic inclinations (“I haven’t noticed that the drawing looks like an anti-Jewish inflammatory drawing”) and excused himself for the “misunderstanding”.[6] Later, in 2018, the same newspaper published a caricature of Israeli prime minister Netanjahu stereotyping him as a Jew with padded lips and protruding ears; the publication fired the caricaturist, but not the editors in charge of publishing it. The dismissal of the caricaturist was relativized by chief editor Kurt Kister insisting that despite the use of antisemitic stereotypes, neither the caricaturist nor the caricature was antisemitic. Furthermore, foreshadowing ruangrupa‘s line of argument, he regarded the stereotyping only problematic in the highly sensitized German context.[7] Have these repeated incidents led to a general condemnation of Süddeutsche Zeitung as antisemitic? A call from the mainstream media for firing Kister or a shut-down of the newspaper? Not that I know.
From the “Süddeutsche Zeitung” of February 21, 2014: Jewish hook-nosed octopus grabs the data world? Photo: Burkhard Mohr/ Süddeutsche Zeitung
German politicians and moral authorities love to refer to the Holocaust as “a lesson to learn from” – not just for the Germans themselves. When earlier this year a privately-funded Holocaust museum opened in Indonesia, the German ambassador referred to the Holocaust as a “universal lesson”.[8] The foundation of the German empire in 1871 was preceded by the popular nationalist slogan “Am deutschen Wesen mag die Welt genesen” (The world may heal on the German character).[9] Germans insisted on that conviction even after they had committed what is generally regarded as the most gruesome atrocity in human history and turned it into an uplifting story the whole world has to listen to. Even in Indonesia, a country with a Jewish community of just 200 members, people would have to listen to that story. Even though, despite this huge lesson, Germany didn‘t manage to contain the antisemitism of its own people. German synagogues and Jewish centers still have to be protected by police, and Jews are still killed and harassed due to their ethnicity. In 2021 the German government counted more than 3000 antisemitic crimes, a rise of 30 per cent to the previous year.
In Indonesia, a country that itself has been the victim of harsh racist atrocities by the Dutch colonizers, it stands to reason that the Western sensitivity about antisemitic inclinations is foremost an instrument to break the Muslim solidarity with the suppressed Palestinians. From here, the tensions between Christians and Jews can appear as an inner conflict of the Western world – not unlike the conflicts between Sunnis and Shias in the Muslim World. Does the suppression of the Shias in certain Muslim countries put the Western world in particular solidarity with their concerns and with Shia-led Iran? Not that I know. If Germany is really so devoted to their “Christian-Jewish tradition“ (basically the tradition of Christians suppressing Jews), why would it pull out the mote of the others and not consider the beam that is in its own eye?[10]
After media pressure built up over several days, ruangrupa finally acknowledged to seeing the antisemitism in Taring Padi’s banner. The new statement reads more like a capitulation than like repentance [11] – similar to the Germans acknowledging the Holocaust only at the moment of their defeat. Now it’s on us Germans to learn from the hypocritical lesson that ruangrupa teaches us.
Footnotes
[1] https://www.zeit.de/kultur/2022-06/documenta-fifteen-antisemitismus-weltkunstausstellung
[2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/roth-menschenwuerde-unverrueckbar–2055528
[3] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/wie-postkolonialismus-und-ein-problematisches-verhaeltnis-zum-judentum-zusammengehoeren-18120403.html
[4] https://documenta-fifteen.de/en/news/on-the-concealment-of-a-work-by-taring-padi-at-documenta-fifteen/
[5] https://blog.futurechallenges.org/local/fifa-world-cup-the-germans-called-it-summer-fairy-tale/
[6] https://www.sueddeutsche.de/kolumne/facebook-karikatur-stellungnahme-des-zeichners-1.1898382
[7] https://www.sueddeutsche.de/kolumne/in-eigener-sache-stereotype-und-klischees-1.3986184
[8] https://thediplomat.com/2022/02/opening-of-indonesian-holocaust-museum-met-with-islamist-backlash/
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Am_deutschen_Wesen_mag_die_Welt_genesen
[10] https://en.wikipedia.org/wiki/The_Mote_and_the_Beam
[11] https://documenta-fifteen.de/news/dismantling-peoples-justice/
http://artsoftheworkingclass.org/text/documenta-911
Documenta was a whole vibe. Then a scandal killed the buzz.
by Siddhartha Mitter, The New York Times
KASSEL.- No one knows just how big Documenta 15 is. The latest edition of the prestigious international art exhibition, which takes place every five years here, opened June 18 and runs through mid-September. It resists all the usual metrics.
How many artists? Hard to say. Ruangrupa, the Indonesian collective that is this edition’s artistic director, invited 67 core participants — mostly grouped in collectives themselves — from outside the commercial art world, mainly from the Global South. Each invited group was allocated a budget, which they have used to involve other artists and collectives, so now over 1,000 people are showing work or rotating through Kassel to hold talks, stage performances, tend gardens, share food or otherwise commune and create. The roster has evolved, amoebalike.
How many artworks? Also elusive. It’s not all intangible and temporary: There are paintings, sculptures, drawings and textile works. There is an abundance of excellent video and photo-based projects. But this is not a show for checklists. It is a gathering of archives, a sharing of methods, a festival of experiments. It’s a whole vibe.
It has vegetable plots, a sauna built of plywood and mosquito nets on the lawn of a Baroque castle and a skateboard halfpipe in the main exhibition space, next to a collective printing press. It has a floating stage on the Fulda River (built by Black Quantum Futurism, a collective from Philadelphia) and a DIY wood shop in a central Kassel museum, courtesy of El Warcha, a design studio in Tunisia. It has a kink-friendly club and dungeon set up by Party Office, a collective from Delhi.
With its decentralized approach, Ruangrupa has placed its faith in the collective genius of the participants, in each group’s instincts, choices and knowledge.
To appoint the Indonesian collective was a bold move for the organizers of Documenta, a show that, for all its experimental reputation, is also an institution steeped in the art-world culture of top-down curatorial propositions and governed by German bureaucracy. There were many bumps on the road, but during the recent preview days, a sense of collective elation prevailed.
And then, right after the public opening June 18, came a scandal that has overshadowed the glorious ferment of energies, harshing everyone’s mellow with a sharp dose of historical realism and contemporary Germany politics.
As soon as a clearly antisemitic image with added Holocaust connotations — a figure with a large nose, pointy teeth and sidelocks, decked with an “SS” cap — was spotted in a massive agitprop tableau that had been erected in a central Kassel square, the integrity of Documenta itself, which runs on public funds, came into question.
The incident was infuriatingly avoidable. The mural-like banner by the Indonesian collective Taring Padi dates from 2002; it portrays Indonesian political life as a great battle of oppressors, capitalists and polluters against the people, with ancestors watching. It only went up on the Friedrichsplatz, the show’s hub, at the end of the preview, during which Taring Padi had charmed visitors with hundreds of cardboard puppets in the same square and around town.
Months before Documenta, critics had lobbed advance accusations, notably that participants supported the Boycott, Divestment and Sanctions movement, which Germany’s Parliament has declared antisemitic. Before the show was installed, a Palestinian artists group called the Question of Funding was targeted by vandals who broke into and graffitied its exhibition space.
In this combustible climate, some vigilance might have been expected. But from whom? The banner, which apparently went up late because it was being restored, eluded the scrutiny of Ruangrupa, whose members, in an apology, said they had failed to spot the offensive elements. Sabine Schormann, Documenta’s director general, told the newsmagazine Der Spiegel that administrators had not screened any art in advance, out of respect for artistic freedom.
The work has been removed. But for Germany’s establishment, this Documenta is clearly over. A barrage of criticism from politicians and the media has proclaimed the whole exhibition a national embarrassment, called for greater state control of future editions and demanded the resignation of Schormann. The management has now announced that, artistic freedom notwithstanding, Ruangrupa must review the entire show for offensive content with support from the Anne Frank Center in Frankfurt — setting up a battle with artists.
Cloaked in the national Holocaust shame, this Documenta is further clouded by Germany’s sharply pro-Israel position, which many say occludes legitimate Palestinian perspectives.
In a simultaneously unfolding dispute, the Goethe-Institut, a state-funded organization that promotes German culture abroad, last week disinvited a Palestinian writer from a conference, citing his social media comments on Israel.
Documenta has thus become ammunition in ongoing German battles. But the condemnation has extended to the show’s premise of hyperdecentralized curation, which the Taring Padi incident, according to critics, has demonstrated to be invalid.
“An exhibition can only succeed if the individual works are known to a curator who places them in a meaningful, functioning relationship with one another,” Jörg Häntzschel and Catrin Lorsch wrote in the Süddeutsche Zeitung newspaper. This Documenta, they concluded, “has made real dialogue between cultures extremely difficult for the foreseeable future.”
Summary judgment has its worth: It says little about the matter being judged, but plenty about the prosecutorial climate. To this viewer at least, the Taring Padi banner clearly includes an antisemitic image; it should not have been shown.
But for the vast constellation of artists here who have nothing to do with this controversy, the swift and comprehensive dismissal of the whole show may prove clarifying. It underscores why collectives are formed in the first place: to create artistic and civic space amid fundamentally hostile systems.
And that, more than “dialogue between cultures,” is what this Documenta delivers. Everywhere in this show are possibilities thrown open: ways of examining the past, or exchanging in the present, that offer grounds for hope; strategies outside the strictures of state and capitalist systems; and fodder for civic imagination.
Archival projects in the exhibition, for instance, stand out for their clarity of purpose — conveying how losing artistic or political history causes harm — and methods of presentation. One comes from the Archives of Women’s Struggles in Algeria, founded in 2019 during a period of upheaval against that country’s ossified political regime.
Its presentation in Kassel isolates a narrow window of mobilization and protest in the late 1980s and early ’90s, in which women played important roles that are diminished in patriarchal histories. The format — with video interviews, slide projections and laminated documents that viewers can carry around — is open and welcoming.
Elsewhere, Le 18, an artists’ group in Marrakesh, has created a lounge and study area rich with Moroccan art books and journals, as well as a DVD library of Moroccan cinema that visitors can watch in a cozy screening area. Asia Art Archive, based in Hong Kong, shares documents from overlooked programs and events in India, Thailand and elsewhere, in an effort to complete gaps in standard art histories.
Some exhibits join archives with concerns of living communities. Centre d’art Waza, a collective in Lubumbashi, Congo, shares its research on late-colonial and independence-era painting and photography collections from the mining region where it is based, but also films made recently with artisanal copper smelters and drawings based on conversations with those workers and their families.
Since 2015, Cao Minghao and Chen Jiajun, based in Chengdu, China, have focused on water systems in their region, working at the hinge of film, community engagement and environmental science; their mini-exhibition in Kassel in an industrial area across the river from the city center is fascinating. A film by Marwa Arsanios, presented nearby, shows efforts to make a section of rural land in Lebanon into a permanent commons, freed from the notion of property.
Canonical art formats don’t fare as badly as rumored. Within the magisterial presentation of OFF-Biennale Budapest are 1970s oil paintings by Janos Balász, and “Birth” (1983), a monumental painting by Tamás Péli portraying the mythical origin of the Roma people. The collective is also showing tapestries by Malgorzata Mirga-Tas; sculpture by Selma Selman using old car parts; and an installation by Robert Gabris in which photographs of simple touch — two hands, two naked shoulders — do all the work of cultural affirmation.
As for the Question of Funding, the bulk of its exhibition is given over to the work of another collective, Eltiqa, from Gaza. The presentation combines Eltiqa’s work — mostly painting — with a timeline of the group’s history that emphasizes its struggle to make space under the conditions of Israeli occupation, collapsed infrastructure and toxic reliance on foreign aid organizations.
This Documenta is didactic in the friendliest way. It invites you to burrow into texts and films, then talk about everything and nothing. Everywhere are sofas, beanbags, chill spaces. There’s a whole conceptual apparatus for this, courtesy of Ruangrupa: Its principle for Documenta is the “lumbung,” or Indonesian collective rice granary; it also encourages “nongkrong,” or the fine art of hanging out.
Much of the show exercises the lightest of touches. There is joy: Witness FAFSWAG, a queer Indigenous collective from New Zealand, with its community photo archive and a fun interactive video installation. There is community cooking by Britto Arts Trust, from Bangladesh. (You can volunteer.) There is flag-making with Serigrafistas Queer, from Argentina, and that group is also turning a weed-strewn lot into a happy prairie.
Making Documenta was hard work for its participating collectives. Some described exhausting Zoom meetings and a collaborative process that seems to have transformed at times into its own onerous bureaucracy. It was worth the effort. We are fortunate to witness so much imagination, so much flourishing.
And it might be the last time, in this format. The German backlash will only comfort skepticism toward this Documenta in the commercial art world. But collectives knew this all along: Systems that host you don’t necessarily like you. They may return from Kassel, if anything, with renewed clarity of purpose. In the meantime, vibe with them, and catch the spirit while you can.
This article originally appeared in The New York Times.
https://artdaily.cc/news/147639/Documenta-was-a-whole-vibe–Then-a-scandal-killed-the-buzz-#.Yrobmy0RoWo
Up-date 2022/7/7
DOCUMENTA-SKANDAL
Am Ende nur noch Entsetzen
06.07.2022
Der Sprecher des Künstlerkollektivs Ruangrupa entschuldigt sich im Bundestag für die antisemitischen Motive auf der Documenta. Claudia Roth fühlt sich von den Organisatoren betrogen. Der Zentralrat der Juden formuliert noch wesentlich härter.
Die für antisemitische Darstellungen während der Documenta verantwortlichen Kunstkollektive haben sich entschuldigt. „Wir entschuldigen uns für den Schmerz und die Angst, die die antisemitischen Elemente in den Figuren und Zeichnungen bei all denjenigen hervorgerufen haben, die sie direkt vor Ort oder in den Reproduktionen der Medienberichterstattung gesehen haben“, sagte Ade Darmawan vom kuratierenden Kollektiv Ruangrupa am Mittwoch im Kulturausschuss des Bundestages. Bei der neben der Biennale in Venedig wichtigsten Ausstellung für Gegenwartskunst war nach der Eröffnung Mitte Juni eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache errichtet worden. Das Banner „People’s Justice“ des indonesischen Kunstkollektivs Taring Padi wurde nach heftiger Kritik wieder abgehängt.
„Kein stiller Boykott gegen Israelis oder auch Juden“
Der kuratorische Ansatz der Künstler sei kein „klassischer, autoritärer Ansatz, der die volle Kontrolle über die Elemente der Arbeit bei der Schaffung der Ausstellung ausübt“, sagte Darmawan. Dies könne zu Werken führen, die die Kuratoren selbst überraschen könnten. Er widersprach Anschuldigungen, dass die Ausstellung israelische Künstler ausschließe. „Es gibt keinen stillen Boykott gegen Israelis oder auch Juden“, so Darmawan.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) warf den Verantwortlichen der Documenta indes Versagen bei Planung und Organisation vor. Über Monate habe die Documenta ihr persönlich versichert, dass dort für Antisemitismus kein Platz sei, sagte die Kulturstaatsministerin in der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am Mittwoch in Berlin. „Im Vertrauen darauf habe ich die Documenta gegen Angriffe verteidigt und ihren Freiraum geschützt.“ Die Grenzen der Kunstfreiheit seien hier aber überschritten worden, so Roth.
Sie sprach von nicht geklärten Zuständigkeiten und fehlender internationaler Expertise bei der Documenta. Außerdem sei der Projektprozess nicht gut begleitet worden. „Das hätte bedeutet, sich darauf zu verständigen, wo die Menschenwürde ihre Grenzen setzt.“ Claudia Roth hatte in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ die Documenta noch gegen Antisemitismus-Vorwürfe verteidigt, nachdem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Verantwortlichen der Ausstellung genau deswegen hart kritisiert hatte. Die „Jüdische Allgemeine“ hatte Claudia Roths Rücktritt gefordert.
Der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, Daniel Botmann, kritisierte das Verhalten der Documenta-Leitung nach den Vorfällen und nannte namentlich die Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann und den Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD). „Dass Frau Schormann noch im Amt ist, ist eine Zumutung“, sagte Botmann. Die Documenta Fifteen sei für die jüdische Gemeinschaft nie eine erfreuliche Angelegenheit gewesen: „Am Anfang waren vor allem viele Fragen, danach kam der Ärger und am Ende das Entsetzen.“ In Kassel war und ist laut Botmann niemand zu einer offenen und ehrlichen Auseinandersetzung mit den eigenen Ressentiments bereit.
Die hessische Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) kritisierte, die Entschuldigung von Ruangrupa sei zu spät erfolgt. Ein Kollektiv aus Kuratoren habe offenbar dazu geführt, dass die Sorgfalt und Verantwortung des Kuratierens gelitten habe.
07.07.2022
KULTURAUSSCHUSS RÜGT LEITUNG
Angst und Schmerz nach dem Documenta-Eklat
Scharfe Kritik im Bundestag: Der Kulturausschuss berät über Kassel. Die Bundeskulturministerin fordert ein klares Einstehen für das, was nicht verhandelbar sei, die Adressaten der Kritik aber fehlten in Berlin größtenteils.
Geht die Spannung verloren, wenn man vorausschickt, dass von den drei Hauptverantwortlichen des Documenta-Skandals zwei zur Anhörung im Kulturausschuss des Bundestages am Mittwochnachmittag gar nicht erst erschienen und der dritte sich mit absurden Vergleichen herausredete?
Der Oberbürgermeister der Stadt Kassel, die einen Hauptteil der Kosten der Documenta trägt, hatte im Haushaltsausschuss seiner Stadt weit Wichtigeres zu tun, als in den Bundestag zu kommen. Nachdem Christian Geselle mitgeteilt hatte, die Stadt Kassel könne die Documenta künftig auch alleine finanzieren, war der Haushaltsausschusstermin wohl unaufschiebbar. Die Generaldirektorin der Documenta, Sabine Schormann, hatte sich krank gemeldet, und wie schon bei der ersten öffentlichen Diskussion zu den antisemitischen Bildern auf der Documenta sprach von den vielen Mitgliedern des kuratierenden Kollektivs Ruangrupa gerade mal eines, Ade Darmawan.
Wie es zur kollektiven Grundidee dieser fünfzehnten Documenta passt, dass sich in entscheidenden Situationen doch wieder ein Einzelner zeigt und stellvertretend für alle anderen das Wort führt, blieb ein offener Widerspruch. Der auch dadurch nicht geringer wurde, dass Darmawan, nach der Vernachlässigung der Kuration und dem Durchschlüpfen der antisemitischen Hetzbilder gefragt, alles auf die „Selbstorganisation des Austauschs“ und die „Vermittlung durch Räte“ schob. Man habe mit dem Kollektiv hierarchische Strukturen durchbrechen wollen, weil man grundsätzlich „Probleme mit einem autoritären Staat“ habe, und Risiken nur im Organisatorischen gesehen. Die in Rede stehenden Bilder, so Darmawan, habe man gar nicht wahrgenommen.
Der Schmerz und die Angst, die der riesige Banner „People’s Justice“ auf Kassels Hauptplatz verursacht habe, täten den Kuratoren leid, die Abhängung sei unvermeidbar gewesen, erklärte der Ruangrupa-Vertreter. Aber: „Wenn wir das Bild anschauen, haben wir eine andere Erfahrung.“ Beim Aufstand in Batavia im Jahr 1740 hätten die niederländischen Kolonialherren rassistische Ideen ins Land gebracht und auf die dortige chinesische Minderheit angewendet.
Man hatte richtig gehört, denn um Übersetzungsverluste zu vermeiden, wurde Darmawans Einlassungen direkt aus dem Indonesischen gedolmetscht. Die Kultur, der Ruangrupa entstammt, hat also ihre eigene Rassismusgeschichte, die bösen Bilder sind den Indonesiern von Europäern oktroyiert worden. Eine Apologie reinsten Wassers, bei der man sich fragt, was der Aufstand von 1740 mit den antisemitischen Schmähbildern von heute – das inkriminierte Banner entstand 2002 – zu tun haben soll.
Abwiegeln und mit dem Finger auf andere zeigen
Derartig schiefe historische Vergleiche sind deshalb besonders schmerzhaft, weil stellvertretend für die von dieser Documenta komplett ausgeschlossenen israelischen Künstler der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, Daniel Botmann, im Kulturausschuss kristallklare Worte sprach. Jüdische Künstler in Deutschland seien in „Angst und begründeter Sorge“: Wenn sie sich als Juden offenbarten, bedeutete das beispielsweise bei Konzerten oft, nicht mehr eingeladen zu werden. Die BDS-Ideologie des Israel-Boykotts spiele eine starke und strukturelle Rolle in Kunst und Kultur; so sei es etwa bei der Konferenz „Hijacking Memories“ des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin zu Schoah-Relativierungen gekommen. Dessen Direktor Bernd Scherer gehöre ebenso wie viele andere Kulturverantwortliche zu den Unterstützern der Initiative „GG 5.3 Weltoffenheit“, die die BDS-Resolution des Bundestages kritisiert. Mit Blick auf die Zukunft erklärte Botmann, man müsse sich fragen, welche Rolle BDS-Sympathisanten in der deutschen Kulturlandschaft spielten. Diese müssten nicht toleriert werden.
Klare Worte kamen diesmal auch von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Schormann und Ruangrupa warf sie „Wortbruch“ vor, da vor allem erstere, die sich nun auf ihren angeblich ausschließlich administrativen Zuständigkeitsbereich berufe, ihr bereits im Januar eine Garantie gegeben habe, dass sich keine antisemitischen Werke in Kassel finden würden. Zudem müssten die antikapitalistischen und postkolonialen Diskurse, so Roth, dringend hinterfragt werden.
Die hessische Kunstministerin Angela Dorn sagte, die Verantwortung müsse „selbstverständlich aufgeklärt“ werden; Geselles Alleingang lehnte sie ab. Am Donnerstagabend nach Redaktionsschluss debattierte der Bundestag auf Antrag der CDU-Fraktion. Nachdem deren Mitglied Gitta Connemann bereits im Kulturausschuss scharfe Fragen zu den Kasseler Vorgängen gestellt hatte, wird es von der Sitzung einiges zu berichten geben.
Next step. Hito Steyerl leaves #documenta15 due to anti-Semitic scandal.
Renowned conceptual and new media artist Hito Steyerl, one of Germany’s best-known contemporary artists and the most vocal of Documenta 15’s contributors, has pulled out of the influential five-year festival amid a mounting anti-Semitic scandal. In a letter to the organizers “Documents” received by Die Zeit, Steyerl cites how they responded to allegations of anti-Semitism as one of the reasons for her departure, as well as their failure to create a space where divisive issues could be discussed and “unsafe and low-paying working conditions” in which were some employees.
“I don’t believe in the organization’s ability to mediate and translate complexity,” the artist wrote, referring to “the repeated failure to promote a sustainable and structurally anchored inclusive debate around the exhibition, as well as a de facto refusal to accept mediation.” .
Steyerl’s departure follows Meron Mendel, director of the Anne Frank Educational Institution in Frankfurt, who resigned as documenta 15 consultant.
Nach Antisemitismus-Eklat
Künstlerin Hito Steyerl lässt documenta-Werke abbauen
Veröffentlicht am 08.07.22 um 17:43 Uhr
Nächster Paukenschlag bei der documenta: Mit Hito Steyerl zieht eine der international wichtigsten Künstlerinnen ihre Arbeiten von der Weltkunstschau ab. Sie habe infolge des Antisemitismus-Eklats das Vertrauen in die Leitung verloren.
Am Freitagvormittag hat sich Meron Mendel von seiner Beratertätigkeit für die documenta zurückgezogen, nun hat die weltweit bekannte Künstlerin Hito Steyerl mitgeteilt, ihre auf der Weltkunstschau gezeigten Werke sollen abgebaut werden.
Ihren Entschluss gab die in Berlin lebende 56-Jährige am Freitag in einer Mail an die documenta in Kassel bekannt. Steyerl begründete ihren Schritt mit dem Rückzug Meron Mendels, der als Leiter der Bildungsstätte Anne Frank der documenta bei der Aufarbeitung des Antisemitismus-Skandals zur Seite stehen wollte.
Kein Vertrauen in Fähigkeit der Verantwortlichen
Zuvor hatte der Spiegel über den Entschluss berichtet. “Ich werde mich nicht mehr an der documenta fifteen beteiligen”, schrieb Steyerl demnach. Sie habe kein Vertrauen in die Fähigkeit der documenta-Verantwortlichen, Komplexität zu vermitteln und zu übersetzen. “Dies bezieht sich auf die wiederholte Weigerung, eine nachhaltige und strukturell verankerte inklusive Debatte rund um die Ausstellung zu ermöglichen, sowie auf die faktische Weigerung, Vermittlung zu akzeptieren.”
Zudem wolle sie das weiter andauernde Fehlen von organisatorischer Verantwortung in Bezug auf antisemitische Inhalte an einem zentralen Ort der documenta nicht unterstützen.
Kritik an Arbeitsbedingungen
Steyerl verwies außerdem auf “unsichere und unterbezahlte Arbeitsbedingungen für Teile des Personals”, was im krassen Gegensatz stehe zur offiziellen Rhetorik.
“Ich bitte das Produktionsteam, meine Arbeit abzubauen, die Projektoren abzuschalten, die Pflanzen zu retten und alle Beschriftungen zu entfernen”, schrieb die Künstlerin, die im Ottoneum eindrückliche Arbeiten gezeigt hatte.
Der Antisemitismus-Eklat auf der documenta hatte am Donnerstag den Bundestag erreicht. Die Verantwortlichen in Kassel wurden abgewatscht. Die Entrüstung in Berlin war groß, die Wortwahl hart.
Schelte für Verantwortliche in Kassel
Der Bundestag wettert gegen die documenta
Veröffentlicht am 07.07.22 um 23:28 Uhr
Der Antisemitismus-Eklat auf der documenta hat den Bundestag erreicht. Die Verantwortlichen in Kassel wurden abgewatscht. Die Entrüstung ist groß – die Wortwahl hart.
Die Verantwortlichen der documenta haben am Donnerstagabend bei einer Debatte im Bundestag von allen Parteien Schelte bekommen. Dass im Vorfeld der Kunstausstellung etwas mächtig schiefgelaufen sei, war parteiübergreifend Konsens. Es sei lückenlose Aufklärung nötig, hieß es einhellig, Antisemitismus dürfe nicht geduldet werden.
CDU: “Antisemita”
Die Empörung gipfelte bei einigen Rednerinnen und Rednern in harte Worte: Die Union schmähte die Ausstellung als “Antisemita” und sah eine “gesellschaftspolitische Katastrophe”, laut FDP war die Künstlerauswahl “zum Schneeballsystem ausgeartet”, die AfD erklärte sich zur vordersten Antisemitismus-Bekämpferin und sah die documenta gleich als “Schande für das ganze Land”.
Aufhänger der Aufregung ist seit Wochen das Bild “People’s Justice” vom indonesischen Künstlerkollektiv Taring Padi, das antisemitische Darstellungen zeigt. Nachdem es abgehängt worden war, holte sich die documenta fachliche Unterstützung von der Anne Frank Bildungsstätte in Frankfurt. Die kündigte allerdings am Freitag die Zusammenarbeit auf, weil der Wille bei der documenta-Leitung fehle.
Augen zu, Ohren zu, Mund zu
Trotzdem sah die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann Antisemismus als den “roten Faden”, der sich durch die Ausstellung ziehe. Das Verhalten der documenta-Verantwortlichen im Vorfeld – als es bereits Vorwürfe wegen der Nähe einzelner Kuratoren und Künstler zur antiisraelischen Boykott-Bewegung gab – beschrieb Connemann als das der drei Emoji-Affen aus gängigen Messenger-Apps: Augen zu, Ohren zu, Mund zu.
Warnungen vom Zentralrat der Juden, der im Vorfeld erhebliche Bedenken geäußert hatte, seien “weggebügelt” worden, sagte sie im Plenum. Bei Kuratoren, den Künstlern von Taring Padi und beim Oberbürgermeister von Kassel, Christian Geselle (SPD), sei keine Einsicht vorhanden. Ein Antrag der Unionsfraktion, der forderte, eine unabhängige Untersuchungskommission einzusetzen und die Planungen für die nächste documenta vorerst zurückzustellen, scheiterte. Nur die AfD stimmte noch dafür.
Suche nach den Schuldigen
Die documenta sei kein Pilz, der plötzlich aus dem Boden sprieße, sagte Erhard Grundl (Grüne) – es sei vier Jahre Zeit gewesen, so einen Skandal zu verhindern. Er schob die Verantwortung weg von der aktuellen Regierung hin zur alten: Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) habe sich aus dem Aufsichtsrat der documenta gGmbH zurückgezogen und das Ganze zu locker laufen lassen.
Der nötige Dialog mit den Kuratoren Ruangrupa und der documenta-Leitung sei also schon von der Union verpasst worden, während die jetzige Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) seit Januar versucht habe, das noch aufzuholen. In Kassel habe es trotzdem klare Verfehlungen bei documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann und OB Geselle gegeben, sagte Grundl, es brauche nun neue Strukturen.
Anikó Merten (FDP) beschrieb das Problem als ein “Kontrolldesaster”. Die Aufarbeitung sei allerdings bereits in vollem Gang. Sie verwies wie andere Abgeordnete auf Pläne von Kulturstaatsministerin Roth. Diese hatte Änderungen in der Struktur der documenta gefordert. Im Kern will Berlin mehr Einfluss, sonst soll es kein Geld mehr geben. Roth hatte der documenta am Mittwoch im Kulturausschuss in Berlin Versagen vorgeworfen.
Antisemitismus in ganz Deutschland
Simona Koß (SPD) erinnerte das Plenum daran, dass Antisemitismus ein Problem in ganz Deutschland sei. “Während wir im Bundestag tagen, werden sieben Juden beschimpft und angegangen”, erklärte sie mit Blick auf Statistiken zu antisemitischen Taten. Im vergangenen Jahr seien 2.700 antisemitische Vorfälle erfasst worden: “Judenhass ist leider Alltag und kommt zum Großteil aus der Rechtsextremen- und Querdenkerszene”, erklärte sie.
Die Linken-Abgeordnete Petra Sitte sah das Versagen bei Land, Bund und Kuratoren. Aber auch Taring Padi mache nicht den Eindruck, dass sie den Kern der Debatte mittlerweile verstanden hätten, sagte sie. Die ganzen Entschuldigungen der vergangenen Wochen würden da wenig helfen.
AfD kämpft gegen “postkoloniale Ideologie”
Der AfD-Abgeordnete Marc Jongen bemühte sich, seine Partei als Speerspitze der Israelsolidarität an der Seite des Zentralrats der Juden darzustellen – ohne zu erwähnen, dass der Zentralrat sich schon lange deutlich gegen das Anwanzen der Partei wehrt, weil sie antisemitisch und rassistisch sei. Auch der Bundesverfassungsschutz sieht laut MDR zahlreiche Belege dafür, dass AfD-Vertreter antisemitische Haltungen vertreten.
Die documenta-Debatte nutzte die rechtspopulistische Partei für ein ganz anderes Manöver: Sie stellte einen Antrag, der forderte, jede Finanzierung von “postkolonialistischer Ideologie” einzustellen, weil sie “Ressentiments gegen Weiße” fördere. Auch dieser Versuch führte zu einer harten Wortwahl: “Wie dämlich, klein und dumm ist das?”, reagierte Helge Lindh (SPD) auf den AfD-Vorstoß. Der Antrag scheiterte an den Stimmen aller anderen Parteien.
Wie die documenta finanziert wird
Die documenta wird von der Stadt Kassel, dem Land Hessen und der Kulturstiftung des Bundes finanziert. Im Laufe der Antisemitismus-Debatte hatte Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) zuletzt angekündigt, die Stadt wäre bereit, die documenta auch ohne Bundesgelder zu finanzieren. Geselle ist Aufsichtsratsvorsitzender der documenta gGmbH. Kulturstaatsministerin Claudia Roth hatte zuvor Änderungen in der Struktur der documenta gefordert – sie will an die Gelder vom Bund auch Einflussnahme durch die Politik knüpfen.
Antisemitismus-Skandal: Documenta-Berater Meron Mendel gibt auf
08.07.2022
Meron Mendel, der Leiter der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, gibt seine Beratertätigkeit bei der Documenta wieder auf. Kaum zwei Wochen hat Mendel die Kasseler Kunstausstellung, die in einen Antisemitismusskandal geraten ist, beraten. Das indonesische Künstlerkollektiv Taring Padi hatte auf der Schau ein Plakat mit antisemitischen Stereotypen ausgestellt, dem ebenfalls aus Indonesien stammenden Kuratoren vom Kollektiv Ruangrupa wird Nähe zu der israelfeindlichen BDS-Bewegung vorgeworfen. Seine Entscheidung, die Zusammenarbeit mit der Documenta zu beenden, hat Mendel in einem Interview mit dem „Spiegel“ bekanntgegeben.
Vor allem der Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann macht Mendel schwere Vorwürfe. An einer ernsthaften Aufarbeitung der Vorgänge sei die Leiterin nicht interessiert, stattdessen spiele man auf Zeit, beklagt er.
Keine Grundlage mehr
Seine Berateraufgabe sah Mendel darin, die Kunstwerke zu begutachten und mit den Kuratoren von Ruangrupa in einen Dialog zu treten – beides jedoch sei zwei Wochen lang nicht passiert. Mendel hatte außerdem darauf gedrungen, einen Beirat aus Antisemitismusexperten zu bilden. Doch auch dieser Vorschlag sei von der Documenta-Leitung abgelehnt worden.
Für eine konstruktive Zusammenarbeit sah Mendel deshalb keine Grundlage mehr, dabei hält er eine Fortführung des Dialogs für dringend nötig. „Wir stehen vor einem Scherbenhaufen im Diskurs über Antisemitismus und Rassismus“, lautet sein Fazit.
Documenta 15 Turmoil Continues as Hito Steyerl Pulls Work and Jewish Organization Leader Quits as Adviser
July 8, 2022
On Friday morning, Documenta 15, the famed recurring art show in Kassel, Germany, continued to face fallout from multiple anti-Semitism controversies as a participant withdrew her work and an adviser severed ties with the exhibition.
After Documenta removed a work by the Indonesian collective Taring Padi that contained anti-Semitic imagery in June, many have called for accountability from the show. The show’s leaders and the collective ruangrupa, which curated Documenta 15, apologized after the mural was removed.
But for some, their apologies were not enough. Some German politicians have demanded that Documenta take more concrete action and lead a total review of the offerings for potential anti-Semitic content, and a few, including culture minister Claudia Roth, have threatened to pull federal funding for future Documenta editions if reforms aren’t instituted.
The debate followed another controversy over the inclusion of the Palestinian collective the Question of Funding, which some Jewish groups in Germany said supports the Boycott, Divestment, Sanctions movement. These activist coalitions alleged that the collective’s inclusion came at the exclusion of Israeli artists.
Artist Hito Steyerl, whose work was in this year’s Documenta, and Meron Mendel, the head of the Anne Frank Educational Institute, who served as an adviser to ruangrupa’s show, are the latest figures to wade into the controversy surrounding the Taring Padi piece. In separate statements on Friday, both decried Documenta’s response to the outcry over the mural and announced their separations from this year’s exhibition.
Steyerl: ‘Refusal to Accept Mediation’
Steyerl, who is based in Berlin, gave an interview to Die Zeit in which she said she was pulling her art from Documenta 15. “I have no faith in the organization’s ability to mediate and translate complexity,” she told the German publication. “This refers to the repeated refusal to facilitate a sustained and structurally anchored inclusive debate around the exhibition, as well as the virtual refusal to accept mediation.”
She also claimed that the show had not taken enough control over “anti-Semitic content displayed at documenta fifteen at its central location,” and said that there were “unsafe and underpaid working conditions for some of the staff.”
A representative for Documenta did not immediately respond to a request for comment.
Steyerl’s contributions, a video called Animal Spirits that involved creatures in the metaverse and a surrounding installation of AI-generated cave paintings, were one of Documenta 15’s most celebrated offerings. It had appeared in a showcase for the collective INLAND, of which Steyerl, an acclaimed German artist known for her video essays, is a member.
Before Documenta 15 opened, Steyerl wrote an essay about the show that was published in Die Zeit. It had originally been intended as a lecture to be given in a Documenta-run forum on anti-Semitism and anti-Palestinian racism that was canceled amid controversy. In it, Steyerl said that Documenta needs to own up to its own anti-Semitic history, which includes advisers to early editions of the exhibition whose Nazi connections have recently been uncovered.
Mendel: A Lack of Action from Documenta
Mendel told the German publication Der Spiegel that he had quit as adviser to Documenta earlier this week. Just the week before, he had participated in a tense, awkward public event held by Documenta that was intended to address anti-Semitism and art, as well as the debate’s relation to Israel.
In his Der Spiegel interview, Mendel mourned that an “honest dialogue” over anti-Semitism had not taken place at Documenta and claimed that neither a full-scale investigation into anti-Semitism in this year’s edition nor a more extended dialogue with ruangrupa had happened. He also alleged that Documenta had rejected his proposal of convening a board of anti-Semitism experts.
“We respect Prof. Mendel’s—albeit surprising—decision not to become further involved,” Documenta said in a statement.
The Frankfurt-based Anne Frank Educational Institute, which Mendel leads, released its own extended statement about Documenta today in which it called for a more nuanced discussion, labeling it “defamatory” to consider the 1,500-artist show anti-Semitic as a whole while also urging the exhibition to take greater action. “It should be clear: anti-Semitism must be named as a problem everywhere and regardless of the context, it will,” the institute said.
Last week, at the anti-Semitism talk staged by Documenta, Mendel dangled the possibility that Documenta may have displayed an anti-Israeli bias in choosing not to display works by Jewish artists from the country. “We are talking about art made by artists who, with their particular political position, are a minority in Israel, and they are not in a dominant position in Israel,” he said.
Ruangrupa, which was not an official participant in that talk, responded to those claims this week during a hearing in the Bundestag, Germany’s parliament. Ade Darmawan, a member of the collective, said there was “no boycott” of Israeli and Jewish artists, and said there were ones among the final artist list, although he did not name them.
https://www.artnews.com/art-news/news/documenta-15-hito-steyerl-pulls-work-meron-mendel-quits-1234633645
2022/7/8
Queer Arts Space Cancels Documenta Programming After Harassment Incidents
The New Delhi-based gallery and performance space Party Office wants Documenta to offer a public apology after artists reported incidents of racism and transphobic harassment in Kassel.
After numerous artists reported that they were targets of racist and transphobic harassment in the German city of Kassel, Party Office, a New Delhi-based gallery and performance space that was invited to uplift queer voices at Documenta 15, suspended all live programming on June 19, one day after the exhibition opened.
In a statement posted to Instagram on July 4, Party Office explained further. “All our guests are Black, Dalit, POC and trans* people. At this moment as hosts we feel completely disabled by the current situation, many of us have our c/PTSD triggered repeatedly, our mental health is in danger and so is our physical safety.”
This announcement, since taken down over fears of prolonged harassment, is a stark contradiction to the messaging Documenta 15 has used to promote this year’s festival. Artistic direction, helmed by the Indonesian arts collective ruangrupa, revolves around the concept of “lumbung,” a building where a community’s harvest is stored and equally distributed. In this spirit, Documenta 15’s programming emphasizes inclusivity, kinship, and equity.

Queer Time: Kinships & Architectures included over 28 transfeminist artists.
Ruangrupa invited Vidisha-Fadescha, Party Office’s founder, and curator Shaunak Mahbubani to program club events and concerts at a satellite space in Kassel. Their festival programming, Queer Time: Kinships & Architectures, showcased an international cohort of more than 28 transfeminist artists making art about rest, parties, and radical pleasure.
But before Documenta began, Party Office’s curatorial team was targeted by xenophobic harassment. Fadescha and Mahbubani’s temporary residence and exhibition venue, which they share with the Palestinian art collective The Question of Funding, was vandalized with the word “Peralta” — a possible reference to Spanish far-right and neo-Nazi youth leader Isabel Peralta — and the number 187, a graffiti symbol that refers to murder.
In response to this incident, Fadescha and Mahbubani asked Documenta to provide a safety plan they could follow in the event of a hate crime. This would be shared with the curatorial team, their artists, and the predominantly queer, transgender, and BIPOC people that would be attending the club central to Queer Time. Instead, they say, Documenta’s organizers told them to rely on a private security firm they had hired, and local police.
When the club opened for previews on June 15, Party Office posted their code of conduct on every door in the venue, as well as online. It notified patrons that an Awareness Team would intervene with any unsafe situations, and had the right to remove people from the space.
Ali Akbar Mehta, a curatorial advisor for Party Office, told Hyperallergic that when the festival entered the first day of press and VIP previews, one of the private security officers had to be ejected from their space due to verbally and physically harassing queer attendees. Documenta provided Hyperallergic with a statement, included later in this article, but has not yet responded to a request for comment regarding the allegations against the security officer.
After the incident, Party Office began enforcing a strict door policy that did not allow cisgender White men to enter their space.
“It’s in line with our curatorial ethos,” Mahbubani added. “But we were met with verbal and gestural aggression from White men asked to leave our space.”
Things reached a boiling point when another curatorial advisor, Joey Cannizzaro, and two other Party Office members who wish to remain anonymous were allegedly targeted by transphobic locals on July 2, according to accounts shared on social media. Cannizzaro said they avoided assault by running into a hardware store across the street from Party Office’s venue. When a police officer arrived on the scene to help, they instead handcuffed Cannizzaro for not carrying their passport, two eyewitnesses told Hyperallergic. Fearing for their community, Party Office canceled all live programs.
(Cannizarro was eventually uncuffed and released without any citation. The Kassel Police Department has not yet responded to Hyperallergic’s request for comment.)
All the Queer Time artists united to ask Documenta’s Director General Sabine Schormann to release a statement and warn festivalgoers about the elevated danger, but no public announcement concerning the recent incidents of racism and transphobia has been made yet. Documenta has, however, released multiple statements about removing an artwork by the Indonesian arts collective Taring Padi, “People’s Justice” (2002), that included antisemitic depictions. The decision to dismantle the work came amid a months-long saga sparked by one pro-Israel Antideutsche blog’s allegations of antisemitism over Documenta’s inclusion of artists aligned with the Boycott, Divestment, Sanctions (BDS) movement.
In a statement provided to Hyperallergic, the festival’s organizers said, “Documenta und Museum Fridericianum gGmbH regrets the incident that took place in the public space on 2 July 2022 and takes it extremely seriously. We are in contact with the artists involved from Party Office as well as the responsible local authorities in order to clarify the circumstances of the incident. The documenta und Museum Fridericianum gGmbH has taken additional measures and offered support.”
Party Office suspended all live programming on June 19, one day after the exhibition opened.
Party Office, however, wants Documenta to issue a public apology. “My main desire is for them to admit they did not make a safety plan, apologize for not making a plan, and to actually publish a plan. Because it will happen again. It’s a powder keg they have created,” Cannizzaro said.
Cannizzaro added that some solutions could include staffing people trained in de-escalation, providing officers not connected to the German criminal justice system, and creating a phone line to reach a dedicated emergency response team. Documenta does have a special helpline in place, but, according to Cannizzaro, it took over 45 minutes for anyone to reply to their calls for help while they were in danger.
With programming at Documenta canceled, Party Office is moving their live events to Berlin and online, and putting other work into a publication. Mahbubani is hoping to receive financial restitution for all the additional expenses and labor this will cost.
“We have to react to a hostile situation. After one year of planning, we must spend more labor continuing this programming in another form. We never reached a space where we could do our artwork,” Mahbubani said.
While Fadescha and Mahbubani work on salvaging their programming, their absence is already being felt in Kassel. A sticker of solidarity appeared on a utility pole: “We miss Party Office.”
2022/7/11 up-date
Artist Hito Steyerl Has Pulled Her Work From Documenta, Saying She Has ‘No Faith’ in Organizers Ability to Address Antisemitism Accusations
The artist revealed she also removed her work from the Julia Stoschek Collection in Berlin.
Artist Hito Steyeral has withdrawn from Documenta 15, citing organizers’ failure to address complaints of antisemitism.
The prominent artist’s decision comes after a string of controversies surrounding the latest edition of the quinquennial event and the Indonesian artist collective Ruangrupa, which curated it.
After allegations of antisemitism among some of the invited artists surfaced earlier this year, Ruangrupa scheduled, then abruptly canceled, a panel on the topic. Then, days after the exhibition opened, on June 18, the group covered up a banner by art collective Taring Padi that featured stereotypical Jewish caricatures.
“I will no longer take part in [Documenta 15],” Steyerl wrote in an email to the exhibition’s organizers this week, a copy of which was shared with Artnet News. “I have no faith in the organization’s ability to mediate and translate complexity. This refers to the repeated refusal to facilitate a sustained and structurally anchored inclusive debate around the show as well as the de facto refusal to accept mediation.”
The artist, who is based in Berlin, referred directly to “antisemitic content displayed” at Documenta’s “central location” and alluded to “unsafe and underpaid working conditions for some of the staff” working the event. She requested that the production team remove her work—which includes a video piece and an installation of A.I.-animated cave paintings—from view.
In a message to Artnet News, Steyerl explained that she has also removed her work from the Julia Stoschek Collection in Berlin after the institution’s namesake collector denied claims that her family’s fortune came from manufacturing gasoline canisters and armaments for the Nazis during World War II.(see *)
Steyerl isn’t the only figure to sever ties with Documenta over the ongoing scandal. Meron Mendel, the director of the Anne Frank Educational Institute, who was brought on as a consultant, resigned from his role earlier this week. In an interview with the German news outlet Der Spiegel, Mendel claimed that Documenta’s organizing team never made a proper effort to address the accusations against them.
“There is a lot of good at the Documenta, but when dealing with the current antisemitism scandal I miss the serious will to work through the events and to enter into an honest dialogue,” he said.
After the Taring Padi artwork was covered last month, Ruangrupa said it would work with outside experts, Mendel included, to investigate other pieces in the show for antisemitic content. But Mendel claimed that never happened.
He also called out Sabine Schormann, general director of Documenta, for inaction.
“When she asked me, I got the impression that she understood the gravity of the crisis,” Mendel recalled. “She said she was taking responsibility for handling the antisemitism scandal with the necessary urgency and determination.” However, he said, nothing came of it.
Spokespersons for Documenta did not immediately respond to a request for comment.
https://news.artnet.com/art-world/hito-steyerl-pulls-out-documenta-2144265
*
Kunstsammlerin Julia Stoschek
Ein Interview von Ulrike Knöfel und Carola Padtberg
17.06.2022 DER SPIEGEL 25/2022
»Die Behauptung, das Vermögen käme aus der Nazizeit, die stimmt einfach nicht«
Die Milliardärin Julia Stoschek sammelt Medienkunst. Ihr Reichtum stammt aus einem Familienunternehmen, das wegen seiner Nazi-Vergangenheit mehrfach von Jan Böhmermann kritisiert wurde. Stoschek will seine Sendungen nie gesehen haben.
Die Sammlerin Julia Stoschek und ihr Urgroßvater
Schmutzige Gelder, saubere Kunst
Immer wieder kommt das Thema Zwangsarbeit auf, auch im Kulturbetrieb. Wegducken hilft da wenig. NICOLA KUHN 11.11.2020
Das Thema ist gerade erst wieder aufgeploppt. Zur Art Week präsentierte der Berliner Künstler Leon Kahane unweit der Julia Stoschek Collection an der Leipziger Straße seine Installation „Jerrycans to can Jerry“, die auf die Verflechtungen der Firma Brose mit der Rüstungsindustrie während des Nationalsozialismus verweist.
Firmengründer Max Brose ist der Urgroßvater von Julia Stoschek, er machte ein Vermögen mit der Massenproduktion von Benzinkanistern. Die geniale Erfindung der metallenen Behältnisse übernahmen auch die Engländer und Amerikaner. Sie ermöglichte unter anderem den Alliierten den Sieg. So erzählt es jedenfalls ein lustiger, Pfeife rauchender Benzinkanister-Opi in Kahanes Video.
Leon Kahane lässt einen Benzinkanister-Opi die Geschichte erzählen
Ein Raunen ging durch die Szene: Kahane solle doch die Kunstsammlerin Julia Stoschek mit ihrer Familiengeschichte in Ruhe lassen. Die schlage sich genug damit herum, dass es in Coburg Widerstand gegen die Benennung einer Straße nach Max Brose gegeben habe. Jetzt hat der TV-Satiriker Jan Böhmermann das Thema in seiner Sendung „Magazin Royale“ wieder aufgegriffen: Max Brose habe als NSDAP-Mitglied und „Wehrwirtschaftsführer“, wie der Ehrentitel lautete, den Grundstein für den Reichtum der Stoscheks gelegt. Dass dafür 200 Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion schufteten, ist noch weniger bekannt.
Der Fall erinnert an die Friedrich Christian Flick Collection, die bei ihrer Übernahme in den Hamburger Bahnhof zunächst umstritten war. Flicks Großvater Friedrich Flick gehörte ebenfalls zu den Wirtschaftskapitänen im „Dritten Reich“, auch hier waren Zwangsarbeiter die Ermöglicher seines Erfolgs. Der Enkel arbeitete nur kurz in der Kommanditgesellschaft der Familie, ließ sich ausbezahlen und investierte in Kunst.
Als Flick mit seiner Sammlung nach Berlin kam, gab es zunächst Proteste
Als er für seine Sammlung in Zürich ein Museum bauen wollte, gab es Widerstand. Stattdessen griff die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu, der Berliner Protest verstummte bald. Von einem Verweis auf die Hintergründe des Erbes im Museum sprach bald keiner mehr. Die Geschichte ploppte jetzt wieder auf, als bekannt wurde, dass Flick seine Sammlung nach 15 Jahren aus Berlin abziehen will.
Befragt, was der größte Erfolg für seine „Jerrycan“-Arbeit wäre, sagte Leon Kahane der „Jüdischen Allgemeinen“, er wünschte sich, dass die Zwangsarbeiterfamilien angemessen entschädigt und die Max-Brose-Straße in Coburg wieder umbenannt würde, „am besten in Erinnerung an die Zwangsarbeiter“.
Zwangsarbeiter ermöglichten das deutsche Wirtschaftswunder mit
Er trifft damit einen neuralgischen Punkt. Das deutsche Wirtschaftswunder gründete nicht zuletzt auf deren Ausbeutung. Daran erinnert sich keiner gern, schon gar nicht die Nachfahren der damaligen Industriellen.
Aber auch nicht der Kunstbetrieb, der vom kulturellen Engagement dieser Nachfahren profitiert. Die Flick Collection bescherte dem Hamburger Bahnhof einen ungeheuren Auftrieb, ohne Julia Stoschek und ihre Videokunst wäre Berlin ebenfalls ärmer. Doch spricht nichts dagegen, die Vergangenheit mitzuerzählen – zumal in Zeiten, in denen Rechte ein neues Narrativ zu etablieren versuchen.
Die Museumswelt schlägt sich mit dem Thema „Whitewashing“ herum
2019 erlebte die Museumswelt scharfe Anwürfe, weil viele sich von Unternehmen sponsern ließen, die als Klimakiller gelten, mit Waffen oder süchtig machenden Medikamenten handeln. „Whitewashing“ war nicht mehr gesellschaftsfähig. Der Pariser Louvre, die Tate in London, das Metropolitan Museum in New York gingen auf Abstand zur Sackler-Familie und ihrem Pharmakonzern.
Die aktuelle Debatte um schmutzige Fördergelder hält an. Zwangsarbeit gehört in Deutschland der Vergangenheit an, das Kapitel dennoch nicht abgeschlossen.
https://www.tagesspiegel.de/kultur/die-sammlerin-julia-stoschek-und-ihr-urgrossvater-schmutzige-gelder-saubere-kunst/26614142.html
Leon Kahane in Berlin
Der Kanisterkönig, der Krieg und die Kunst
15.09.2020
Der Einheitsbenzinkanister hat mehr mit Kunst zu tun, als man denkt – Antworten sind nur eine Google-Suche weit entfernt oder gerade in Leon Kahanes neuer Berliner Ausstellung zu finden
Rache ist süß. Das wird sich möglicherweise der Berliner Künstler Leon Kahane gedacht haben, als er das erste Mal auf die grünen Benzinkanister stieß, aus denen er in den letzten Wochen akribisch seine aktuelle Installation machte. Bis zum 9. Oktober kann man sich diese noch in der Leipziger Straße 61 anschauen. Kuratiert von Nils Emmerich muss “Jerrycans to can Jerry” als Hinweis an die Verantwortung der Nachfahren der NS-Täter verstanden werden.
Denn der Handschlag mit den Nazis und die Enteignung der europäischen Juden hat nicht nur während des Zweiten Weltkriegs, sondern auch darüber hinaus für eine Umschichtung der finanziellen Verhältnisse gesorgt. Er hat den Kindern und Enkeln der NS-Täter das deutsche Wirtschaftswunder beschert, schicke Häuser in westdeutschen Käffern und Großstädten finanziert, die Schulabschlüsse in Salem oder eben protzige Altbauwohnungen im Berliner Scheunenviertel, die man in den 90er-Jahren für lächerliche 10.000 DM erwerben konnte.
Manchmal kam bei der Zusammenarbeit mit den Nazis sogar so viel Geld bei rum, dass ein internationaler Konzern mit Milliardenumsatz entstand. Wie im Fall der Familie der Kunstsammlerin Julia Stoschek.
Und genau dieser Konzern hatte Leon Kahane interessiert, als er nach der ersten Begegnung mit den grünen Benzinkanistern sich über Stoscheks Urgroßvater Max Brose informierte. Er fand allerhand interessante Informationen: Zum Beispiel, dass Brose damals von den Nazis beauftragt wurde Benzinkanister zu bauen, die im Zweiten Weltkrieg Verwendung fanden. Genauer gesagt für alles, was Benzin brauchte. Damit wurde Brose so erfolgreich, dass er dringend mehr Personal benötigte. Das ging damals am billigsten und leichtesten mit Zwangsarbeitern. Es waren wohl 200 sowjetische Kriegsgefangene. Aber sicher wissen tut das bis heute niemand.
Broses Benzinkanister hilf zum Sieg über Hitler
Die Nachfrage machte die Firma Brose binnen kürzester Zeit zum Massenproduzenten. Und nach dem Krieg wurde Max Brose, der über den gesamten Zeitraum der NS-Herrschaft nicht nur NSDAP-Mitglied, sondern auch noch Wehrwirtschaftsführer war, aufgrund seiner Relevanz der Persilschein ausgestellt.
Um diese, naja vielleicht nennen wir es einfach weltliche Ungerechtigkeit, zu visualisieren, hat Kahane zwanzig grüne Benzinkanister bestellt. Die hat er OCD-mäßig aufeinandergestapelt und einen Bildschirm darauf abgestellt, auf dem ein Video läuft. In Endlosschleife. Darin sieht man einen süßen kleinen Benzinkanister-Opi, im Sessel sitzend und Pfeife rauchend, wie er aus seinem Leben als Benzinkanister erzählt. Ein schweres Leben, ein hartes Leben, ein Leben als Veteran, aber nicht als deutscher, sondern als britischer. Denn dieser kleine Benzinkanister-Opa, den Kahane dort vorstellt, ist Engländer. Er wurde zwar in Deutschland von Stoscheks Urgroßvater Brose produziert, zum Massenprodukt gepimpt, aber im Laufe des Krieges auch von den Amerikanern geklaut und anschließend von den Briten nachgebaut. Broses Benzinkanister, der genial für die damalige Zeit war, verhilft schließlich den Alliierten, den Krieg gegen Hitler zu gewinnen.
Genau deshalb hat Kahane seine Arbeit auch “Jerrycans to can Jerry” genannt, nach dem gleichnamigen Propagandafilm der Briten nämlich, der darauf verweist, die Jerrys (Deutschen) mit ihrem eigenen Produkt (Jerrycan) zu schlagen (to can). So geschehen. Glücklicherweise. Und so nachzuschauen in der Leipziger 61. Auch glücklicherweise.
https://www.monopol-magazin.de/leon-kahane-kanisterkoenig-periode-berlin
Link_https://vimeo.com/457185748
Jerrican to Can Jerry
Brose: Das dunkle Geheimnis von Familie Stoschek aus Coburg
Link_https://www.youtube.com/watch?v=tCqkZ8Bi8tc
2022/7/18 up-date:
The Head of Documenta Has Resigned Amid an Ongoing Antisemitism Scandal as the Mega-Exhibition Seeks to Regain Lost ‘Trust’
“A lot of trust has unfortunately been lost,” the organization’s board said in its statement.
Kate Brown, July 18, 2022
Sabine Schormann, director general of Documenta, has resigned from her post. The quinquennial exhibition’s nonprofit parent company, Documenta gGmbh, announced the decision on Saturday.
According to the statement, the Documenta board and Schormann reached a mutual agreement on “short notice” after a meeting on Friday evening. The news comes after months of allegations of antisemitism came to a boiling point two days after the opening on June 18, when viewers became aware of anti-Semitic imagery in a prominent artwork by Indonesian collective Taring Padi.
The announcement on the weekend came on the heels of a statement Schormann issued on Tuesday, July 12, that sought to clarify how Documenta and the curators had handled an unfolding controversy that began in January when members of the artistic team and some artists were accused of anti-Semitism.
“A lot of trust has unfortunately been lost,” the board said in the statement confirming Schormann’s departure. A search is underway for an interim director for the exhibition, which is just 30 days into its 100-day run.
The supervisory board also recommended appointing an expert advisory board consisting of scholars of contemporary anti-Semitism in the German and global contexts, as well as on postcolonialism. The advisory board should be “responsible for the initial stocktaking of the processes, structures, and receptions” surrounding the exhibition. According to the statement, an investigation should include indications of possible anti-Semitic imagery and the promotion of “Israel-related anti-Semitism… with due regard for the fundamental right to artistic freedom.”
more at:
https://news.artnet.com/art-world/head-of-documenta-resigned-2148348
up-date 2022/8/1
DOCUMENTA-EKLAT
Antisemitismus-Experten wollen sich nichts vorschreiben lassen
VON EWALD HETRODT-AKTUALISIERT AM 01.08.2022
Schon kurz nach seiner Einberufung übt ein neues Gremium zur wissenschaftlichen Begleitung der Documenta in Kassel deutliche Kritik an der Leitung. Die Fachleute für Antisemitismus fühlen sich bevormundet.
Das neue Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung der Documenta 15 hat unmittelbar nach seiner Einberufung am Montag scharfe Kritik an dem vorläufigen Geschäftsführer der Weltkunstausstellung, Alexander Farenholtz, geübt. Er hatte das Amt von Sabine Schormann übernommen, nachdem diese wegen ihres Umgangs mit Antisemitismusvorwürfen ausgeschieden war.
Die Kritik betraf zunächst vor allem ein Werk des Künstlerkollektivs Taring Padi, das kurz nach der Eröffnung der Documenta im Juni abgehängt wurde. Wie berichtet, tauchten in der Broschüre „Presence des Femmes“ noch weitere Motive mit antisemitischer Bildsprache auf. Dass sie weiterhin gezeigt werden, hatte Farenholtz in Interviews verteidigt.
Vor diesem Hintergrund ließen der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) und die hessische Kunstministerin Angela Dorn (Die Grünen) am Montag eine Liste mit sieben Wissenschaftlern verbreiten, an deren Spitze die Frankfurter Professorin für Internationale Beziehungen, Nicole Deitelhoff, steht. Sie führt gleichzeitig die Geschäfte der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.
Hinzu kommen die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, die Frankfurter Antisemitismusforscherin Julia Bernstein und die Psychologin Marina Chernivsky. Sie gehört dem Gremium an, das die Bundesregierung im Kampf gegen Antisemitismus berät. Berufen wurden außerdem Peter Jelavich, Historiker der Johns Hopkins University, Christoph Möllers, Jurist der Berliner Humboldt-Universität, und Facil Tesfaye von der Universität Hongkong.
Jüdische Gemeinschaft empfinde Präsentation antisemitischer Werke und Umgang damit zu Recht als bedrohlich
Die Wissenschaftler sind künftig für die erste Bestandsaufnahme der Abläufe, Strukturen und Rezeptionen rund um die Documenta verantwortlich. Außerdem sollen sie mögliche weitere antisemitische Werke und bereits als antisemitisch identifizierte Stücke analysieren. Berufen wurde das Gremium vom Aufsichtsrat und den Gesellschaftern der Weltkunstausstellung. Das sind Vertreter des Landes Hessen und der Stadt Kassel. Ihnen legt das Gremium seine Beratungsergebnisse und Positionen vor. Danach sollen alle weiteren Beteiligten in einen Dialog darüber eintreten. „Die künstlerische Freiheit ist gewahrt, die kuratorische Verantwortung ist und bleibt explizite Aufgabe der künstlerischen Leitung Ruangrupa“, heißt es weiter in der Pressemitteilung vom Montag.
Man erwarte, dass unter Berücksichtigung der Kunstfreiheit Hinweisen auf mögliche antisemitische Bildsprache und Beförderung von israelbezogenem Antisemitismus nachgegangen werde, so der Aufsichtsratsvorsitzende Geselle. Seine Stellvertreterin Dorn hält fest, dass die mehrfach gesichteten antisemitischen Motive die ungebrochene Aktualität und Reproduktion von Antisemitismus belegten. „Die fachwissenschaftliche Analyse weiterer Werke im Hinblick auf antisemitische Motive wird schon in den kommenden Wochen für uns Gesellschafter wichtig sein.“ Auf dieser Grundlage könnten nachhaltige Impulse für den Umgang mit antisemitischen Vorgängen im Kultur- und Kunstkontext gewonnen werden und so über die Documenta hinauswirken.
Mit der Kritik an Farenholtz hat das Expertengremium seine Arbeit zügig aufgenommen. Ohne den Namen explizit zu nennen, hält die Pressemitteilung des Gremiums fest, dass die öffentliche Präsentation antisemitischer Werke und der Umgang damit von der jüdischen Gemeinschaft zu Recht als bedrohlich empfunden würden. „Umso bedauerlicher ist es, dass die Wirkung der Debatte auf die jüdische Gemeinschaft in den öffentlichen Stellungnahmen der Documenta bislang kaum berücksichtigt wurde.“
Die Experten zeigen sich irritiert, dass die Leitung der Documenta in dem Moment, in dem das Gremium seine Arbeit aufnehme, wesentliche Fragen des Umgangs mit antisemitischer Kunst festzulegen scheine. „Die von ihr vertretene Position, dass weder weitere Kunstwerke aufgrund antisemitischer Inhalte entfernt werden müssten noch eine systematische Prüfung der Werke notwendig sei, widersprechen einem fachlichen und ergebnisoffenen Dialog“, meinen die Experten. „Wir behalten uns das Recht vor, zu diesen Fragen eine eigenständige Einschätzung zu formulieren.“
Dass die Aufarbeitung jetzt beginne, ändere nichts daran, dass weiterhin antisemitische Kunstwerke unkommentiert in Kassel gezeigt würden, hieß es in der FDP-Landtagsfraktion. Das müsse Ministerin Dorn schnellstmöglich beenden, forderte der Abgeordnete Stefan Naas. Auch die AfD bekräftigte ihre Kritik. Weder die Landesregierung noch die Expertenkommission seien willens und in der Lage, auf das Kuratorenkollektiv Ruangrupa einzuwirken und der offenen Judenfeindlichkeit unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit Einhalt zu gebieten, so der Abgeordnete Frank Gröbe.
up-date 2022/10/18
Monopol Magazin 16.10.2022
Wegen antisemitischer Werke
Jüdischer-Weltkongress-Vize übt scharfe Kritik an der Documenta
Der Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, Maram Stern, sieht in der vor drei Wochen zu Ende gegangenen Documenta Fifteen in Kassel “einer der schwersten Fälle von Antisemitismus in der deutschen Nachkriegsgeschichte”
Judenfeindliche Kunstwerke seien offen gezeigt worden, schrieb Stern in einem Gastbeitrag für die in Düsseldorf erscheinende “Rheinische Post” (Montag). “Juden als Schweine dargestellt, Juden mit Raffzähnen, gierigem Blick und – besonders perfide – SS-Runen, viel tiefer kann man nicht in die Kiste der antisemitischen Bildsprache greifen.” Ein solches Bild sei unerträglich – egal, wo es hänge.
Die 15. Ausgabe der Kunstausstellung Documenta war vor und während ihrer Laufzeit von immer neuen Antisemitismus-Vorwürfen erschüttert worden. Kurz nach der Eröffnung Mitte Juni wurde eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache entdeckt und abgebaut. Auch danach wurden Werke mit antijüdischen Stereotypen gefunden. In der Kritik stand das Kuratorenkollektiv der Documenta, Ruangrupa, dem unter anderem eine Nähe zur Israel-Boykott-Bewegung BDS vorgeworfen wird.
Seine Kritik ziele nicht auf die Entscheidung, die künstlerische Leitung einem Kollektiv aus Indonesien zu übertragen, schrieb Stern weiter. Er halte es für überaus begrüßenswert, “die Sichtweise des ‘globalen Südens’ prominent einzubeziehen”. Er kritisierte zudem, dass “selbst der offensichtliche Skandal, den die Entdeckung des ersten antijüdischen Bildes hätte auslösen müssen, nicht für ein allgemeines Problembewusstsein ausreicht”. Nach zweitausendjähriger Judenfeindschaft in Europa mit dem Holocaust als katastrophalem Tiefpunkt stehe ihm nicht der Sinn nach Großzügigkeit.
https://www.monopol-magazin.de/juedischer-weltkongress-vize-uebt-scharfe-kritik-der-documenta
World Jewish Congress Vice President Condemns Documenta Over Alleged Anti-Semitism
BY ANGELICA VILLA, October 17, 2022
https://www.artnews.com/art-news/news/world-jewish-congress-vice-president-condemns-documenta-over-alleged-antisemitism-1234643399
Multidirektionale Angriffe auf
die Erinnerung
Post-Schoah-Antisemitismus in Bayern
Einleitung
„Du warst doch in Kaunas!“ – Vorwort von Abba Naor
Was war die Schoah?
21 Was bedeutet Erinnerung an die Schoah?
22 Warum ist die Abwehr der Erinnerung an die Schoah antisemitisch?
Post-Schoah-Antisemitismus in Bayern
29 „Impfen macht frei“
– Post-Schoah-Antisemitismus und Corona
32 „Stop doing what Hitler did to you“
– Post-Schoah-Antisemitismus und Israel
36 „Reißt die Holocaust-Denkmäler ab!“
– Post-Schoah-Antisemitismus und (Massen-)Zuschriften
38 „Was erzählt Ihr für Lügen?“
– Antisemitische Vorfälle an Orten der Erinnerung
Exkurs I: Von Pösing nach Palästina
– Postkoloniale Angriffe auf die Erinnerung
44 Unfreiwillige Übereinstimmungen
46 Erfundene Verbote und reine Lehren
47 Hohepriester der Erinnerung und Muslime als neue Juden
49 „Angeblicher Antisemitismus“
und jüdische „Besessenheit vom Holocaust“
52 Kassel: Eine deutsche Stadt sieht keinen Antisemitismus 57 Vom Hörsaal auf die Straße
Exkurs II: Der Krieg gegen die Ukraine und (mögliche) Auswirkungen auf die deutsche Erinnerung an die Schoah
Angriffe auf die Erinnerung
und Umgang mit der Schoah seit 1945
71 Antisemitismus der Nachkriegsjahre:
Hitlers Dämonisierung und kollektive Amnesie
74 Frieden mit den Tätern, „Wiedergutmachung“ für die Opfer?
76 Antisemitische „Schmierwelle“ (1959/1960)
76 Der Frankfurter Auschwitz-Prozess, die Verjährungsdebatte und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel
78 Israel als Projektionsfläche:
„Ehrbarer“ Antisemitismus der westdeutschen Linken ab 1967
80 Olympia-Attentat 1972 und das Versagen der deutschen Behörden
81 Ein erinnerungspolitisches Großereignis:
Die US-amerikanische TV-Serie „Holocaust“ (1979)
82 Weizsäckers Rede zum 8. Mai und die „Bitburg-Affäre“ (1985)
84 Deutscher „Historikerstreit“ (1986–1987)
86 Nach 1989/1990: Zweigeteilte Erinnerung im vereinten Europa 88 Die Wehrmachtausstellung (1995–1999)
90 Die Goldhagen-Debatte (1996)
92 „Moralkeule Auschwitz“:
Martin Walser in der Frankfurter Paulskirche (1998)
94 Die Affäre Möllemann (2002)
94 Die Wiederkehr der Selbstviktimisierung
Exkurs III: Der Wandel der Erinnerungskultur am Beispiel des Umgangs mit dem ehem. KZ Dachau
https://report-antisemitism.de/documents/2022-09-07_Post-Schoah-Antisemitismus_in_Bayern.pdf
up-date 2023/11/11
NÄCHSTER SKANDAL BEI DOCUMENTA
Sieht so ein „Nie wieder“ aus?
VON STEFAN TRINKS -AKTUALISIERT AM 10.11.2023
Aus den Skandalen nichts gelernt: In der Findungskommission der nächsten Documenta sitzt mit dem indischen Kulturtheoretiker Ranjit Hoskoté erneut mindestens ein antiisraelischer BDS-Unterstützer – wie schon in der letzten.
Eines der sechs Findungskommissionsmitglieder für die künstlerische Leitung der nächsten Documenta ist der indische Autor, Kulturtheoretiker und Kurator Ranjit Hoskoté. Hoskoté hatte 2019 seinen Namen unter eine Petition des „Indian Cultural Forum“ mit der Überschrift BDS India gesetzt. Das Schreiben ruft nicht nur zum Israel-Boykott auf, sondern umfasst auch klar antisemitische Aussagen: „Zionismus ist eine rassistische Ideologie, die einen siedlerkolonialistischen Apartheidsstaat verlangt, in dem Nicht-Juden nicht die gleichen Rechte haben, und der in der Praxis aus der ethnischen Säuberung von Palästinensern in den letzten sieben Dekaden besteht.“
Immerhin reagierte die Geschäftsführung diesmal schnell und klar
Die Petition enthält mit der Diffamierung Israels als rassistischen Apartheidsstaats Kernbegriffe des Postkolonialismus, vor allem aber kann kein Zweifel daran bestehen, dass mit der „ethnischen Säuberung“ (ethnic cleansing) in den vergangenen siebzig Jahren der 1948 gegründete demokratische Staat Israel gemeint ist, der als „zionistisch“ und „siedlerkolonialistisch“ verfemt wird. Die Documenta-Geschäftsführung kommentiert unterdessen: „Die Unterzeichnung des Statements ist für uns als Documenta aufgrund seiner explizit antisemitischen Inhalte nicht im Ansatz akzeptabel.“ Ranjit Hoskoté ist als Kommissionsmitglied in jedem Fall untragbar geworden.
My visit to the documenta 15 (2022/7/29)
I am a descendant of ROBERTO (Axis Roma-Berlin-Tokyo) . documenta15 should be closed down. Because there’s no weed. (lol)
私はROBERTO(枢軸国 ローマ・ベルリン・東京)の子孫である。ドクメンタ15は閉鎖されるべき。大麻草ないから。(笑)
https://art-culture.world/articles/documenta15/
ここに載せた写真とスクリーンショットは、すべて「好意によりクリエーティブ・コモン・センス」の文脈で、日本美術史の記録の為に発表致します。
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photos: cccs courtesy creative common sense